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Kindergartenbeiträge in vollem Umfang Mehrbedarf

Bundesgerichtshof

Beschluss vom 26.11.2008

Norm: § 1610 Abs. 2 BGB

Schlagworte:

Kindergartenbeiträge, Bedarf des Kindes, unterhaltsrechtlicher Mehrbedarf, nur Kosten der Verpflegung mit Tabellenunterhaltsbeträgen abgegolten

Redaktionelle Zusammenfassung

Die nicht miteinander verheirateten Eltern eines gemeinsamen Kindes trennten sich, als das Kind ein Jahr alt war. Das Kind lebt bei der Mutter. Die Eltern streiten um den vom Vater zu zahlenden Kindesunterhalt, wobei es konkret um die Kosten der Betreuung des Kindes in einer Kindertagesstätte geht.

Der Bundesgerichtshof führt aus, dass die für den Kindergartenbesuch anfallenden Kosten zum Bedarf des Kindes zu rechnen sind, und zwar unabhängig davon, ob die Einrichtung halb- oder ganztags besucht wird. Da der Unterhaltsbedarf eines Kindes dessen gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten der Erziehung umfasst, bestimmen Aufwendungen, die in erster Linie erzieherischen Zwecken dienen, jedenfalls den Bedarf des Kindes und nicht den Bedarf des betreuenden Elternteils. Um solche Aufwendungen handelt es sich bei den für einen Kindergartenbesuch anfallenden Kosten. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs biete der Kindergarten eine fürsorgende Betreuung mit dem Ziel der Förderung sozialer Verhaltensweisen und stelle zugleich eine Bildungseinrichtung im elementaren Bereich dar. Mit der Schaffung von Kindertageseinrichtungen werde Chancengleichheit in Bezug auf die Lebens- und Bildungsmöglichkeit von Kindern gewährleistet und sozialstaatlichen Belangen Rechnung getragen. Daher komme mit Rücksicht auf die im Vordergrund stehenden erzieherischen Aufgaben einer solchen Einrichtung dem Gesichtspunkt der Ermöglichung einer Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils nur untergeordnete Bedeutung zu.

Bei Kindergartenbeiträgen beziehungsweise vergleichbaren Aufwendungen für die Betreuung eines Kindes in einer kindgerechten Einrichtung handelt es sich nach Ansicht des Bundesgerichtshofs um einen unterhaltsrechtlichen Mehrbedarf. Als Mehrbedarf ist der Teil des Lebensbedarfs anzusehen, der regelmäßig während eines längeren Zeitraumes anfällt und das Übliche derart übersteigt, dass er mit den Regelsätzen nicht zu erfassen, andererseits aber kalkulierbar ist und deshalb bei der Bemessung des laufenden Unterhalts berücksichtigt werden kann.

Bisher war der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass der Beitrag für einen halbtägigen Kindergartenbesuch grundsätzlich keinen Mehrbedarf eines Kindes begründet, zumindest bei Kindergartenbeiträgen bis zu einer Höhe von etwa 50 Euro monatlich. Er war davon ausgegangen, dass diese Kosten durch die Sätze der Düsseldorfer Tabelle gedeckt seien. An dieser Auffassung hält der Bundesgerichtshof in der vorliegenden Entscheidung ausdrücklich nicht mehr fest.

Anknüpfungspunkt für den Unterhalt ist seit dem 01.01.2008 nicht mehr die Regelbetragsverordnung, sondern das Steuerrecht und die dort enthaltene Bezugnahme auf den existenznotwendigen Bedarf von Kindern. Dieses Existenzminimum wird von der Einkommenssteuer verschont. Die Frage, welche Aufwendungen der dem sächlichen Existenzminimum entsprechende Mindestbedarf abdeckt, beantwortet der Bundesgerichtshof unter Heranziehung des SGB XII und der Regelsatzverordnung. Demnach schließt das dort genannte Leistungsspektrum die Betreuung eines Kindes in einer kindgerechten Einrichtung nicht ein.

Das sächliche Existenzminimum - und daraus folgend der Mindestbedarf eines Kindes - beinhalten deshalb laut Bundesgerichtshof nicht die für einen Kindergartenbesuch aufzubringenden Kosten. Für den Betreuungs- und Erziehungsbedarf des Kindes sind vielmehr zusätzliche Mittel zu veranschlagen.

Dies gilt auch für die Zeit vor dem 31. Dezember 2007, weil die Regelbeträge, die nach § 612 a Bürgerliches Gesetzbuch alter Fassung  und der Regelbetrag-Verordnung dem Kindesunterhalt zugrunde lagen, das Existenzminimum eines Kindes nicht abdeckten.

Die im System der Bedarfsfestlegung enthaltene Abgrenzung des Betreuungs- und Erziehungsbedarfs  vom sächlichen Bedarf betrifft nicht nur den für ein Kind aufzubringenden Mindestunterhalt, sondern auch den bei günstigeren Einkommensverhältnissen des Barunterhaltspflichtigen geschuldeten höheren Unterhalt. Auch den Mindestunterhalt übersteigende Unterhaltsbeträge decken grundsätzlich keinen wesensverschiedenen Aufwand ab, sondern zielen aufgrund der abgeleiteten Lebensstellung des Kindes auf eine Bedarfsdeckung auf höherem Niveau. Danach ist die Annahme, in höheren Unterhaltsbeträgen seien die Kosten für einen Kindergartenbesuch teilweise enthalten, nicht gerechtfertigt.

Daraus folgt, dass die Kosten der Betreuung des Kindes in einer kindgerechten Einrichtung unterhaltsrechtlicher Mehrbedarf sind. Nur die Kosten der Verpflegung sind mit den Tabellenunterhaltsbeträgen abgegolten und müssen gegebenenfalls als ersparte Aufwendungen vom Mehrbedarf wieder abgezogen werden.

Da das Kammergericht Berlin Essens- und Betreuungskosten für den vorliegenden Fall nicht ausreichend festgestellt und voneinander abgegrenzt hatte, verwies der Bundesgerichtshof die Sache zur abschließenden Entscheidung an das Gericht zurück.

Der Bundesgerichtshof wies darauf hin, dass für den unterhaltsrechtlichen Mehrbedarf eines Kindes die Eltern anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen aufzukommen haben.

Diese Entscheidung im Original nachlesen

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtspr…

Mit diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof seine im Urteil vom 05. März 2008 (XII ZR 150/05) dargelegte Auffassung, dass in den Unterhaltsbeiträgen nach der Düsseldorfer Tabelle die Kosten für einen Halbtagskindergartenplatz enthalten sind, aufgegeben. Der/die Barunterhaltsverpflichtete muss sich daher künftig zusätzlich zum Tabellenunterhalt an den Kosten für den Kitabesuch seiner/ihrer Kinder anteilig beteiligen. Davon ausgenommen sind lediglich die Verpflegungskosten, denn diese sind im Tabellenunterhalt enthalten und müssen als ersparte Aufwendungen des betreuenden Elternteils aus den Kitabeiträgen herausgerechnet werden.