Neue Berechnungsmethode, wenn geschiedener und neuer Ehepartner eigenes Einkommen erzielen
Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss vom 05.05.2008
Norm: None
Schlagworte:
Konkurrierende Ansprüche gleichrangiger Ehegatten nach der Unterhaltsrechtsreform: neue Berechnungsmethode für den nachehelichen Unterhalt, wenn sowohl der geschiedene als auch der neue Ehepartner eigenes Einkommen erzielen, Additionsmethode, Kontrollberechnung, Einschränkung des vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsatzes, dass der Splittingvorteil der neuen Ehe bei der neuen Ehe verbleiben muss
Redaktionelle Zusammenfassung
Der ehemalige geschiedene Ehemann hatte gegen ein Urteil zum nachehelichen Unterhalt Berufung eingelegt. Mit seiner ersten Ehefrau hat er drei Kinder. Er ist wieder verheiratet und hat mit der neuen Ehefrau zwei Kinder. Die erste Ehefrau muss sich nach Ansicht des Gerichtes ein fiktives Einkommen zurechnen lassen, die neue Ehefrau arbeitet und hat dadurch ebenfalls ein eigenes Einkommen.
Die Frage, wie die Ansprüche gleichrangiger Ehegatten, die beide - wie im vorliegenden Fall - über Einkommen verfügen, nunmehr nach der Unterhaltsrechtsreform zu bemessen sind, war bislang nicht geklärt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden, dass der Bedarf im Rahmen der Additionsmethode zu ermitteln und durch eine Kontrollberechnung zu überprüfen ist.
Nach Ansicht des Oberlandesgerichtes Düsseldorf sind in diesem Fall die Erwerbseinkünfte aller Unterhaltsberechtigten nach Bereinigung um das Anreizsiebtel zu addieren und sodann durch die Anzahl der Unterhaltsberechtigten zu teilen. Der sich daraus ergebende Bedarf bildet dann die Grundlage der Unterhaltsberechnung. Das Oberlandesgericht Düsseldorf legt ausdrücklich dar, dass dadurch der vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 07.10.2003 festgelegte Grundsatz, wonach bei einer erneuten Heirat des Unterhaltspflichtigen der durch die gemeinsame Veranlagung entstehende Steuervorteil bei der neuen Ehe zu verbleiben hat, nicht mehr uneingeschränkt weiter gelten kann.
Grundlage für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war die damalige gesetzliche Regelung, wonach der erste Ehegatte grundsätzlich Vorrang vor dem zweiten Ehegatten hatte. Deshalb sollte er durch die erneute Eheschließung des Unterhaltsverpflichteten nicht besser stehen, als wenn der Unterhaltsverpflichtete nicht erneut geheiratet hätte. Mittlerweile sind die Ehegatten aber gleichrangig und dieser Gesichtspunkt kommt nicht mehr zum Tragen. Vielmehr stünde der zweite Ehegatte nun deutlich besser, weil er nicht nur einen gleichrangigen Unterhaltsanspruch hat, sondern zusätzlich der Steuervorteil allein der neuen Ehe verbliebe, so dass diese eine faktisch höhere Verteilungsmasse zur Verfügung hätte.
Deshalb hält es das Oberlandesgericht Düsseldorf für sachgerecht, im Rahmen der Berechnung in erster Linie das tatsächliche Einkommen des Unterhaltsverpflichteten zugrunde zu legen, also dessen reales Einkommen aufgrund der gewählten Steuerklasse ebenso wie hier im vorliegenden Fall den gesamten Familienzuschlag nach § 40 Bundesbesoldungsgesetz. Dies auch deshalb, weil die aktuell verheirateten Eheleute in der Regel ihre Steuerklassen so wählen werden, dass der Besserverdienende, also hier der Ehemann, eine möglichst geringe Steuerlast trägt und das Einkommen des zweiten Ehegatten, also hier der Ehefrau, entsprechend geringer ausfällt. Deshalb hält es das Oberlandesgericht Düsseldorf für eine sachgerechte Verteilung des insgesamt zur Verfügung stehenden Einkommens für geboten, die tatsächlichen Einkünfte aller Beteiligten der Unterhaltsgemeinschaft zugrunde zu legen.
Der Grundsatz des Bundesverfassungsgerichts gilt nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf allerdings insofern weiter, als dem ersten Ehegatten kein höherer Unterhaltsanspruch zustehen darf, als er ihn ohne die erneute Eheschließung des Unterhaltsverpflichteten hätte.
Deshalb beschränkt das Oberlandesgericht Düsseldorf den Unterhaltsanspruch durch eine Kontrollberechnung: Ergibt sich auf der Grundlage eines Einkommens des Unterhaltsverpflichteten nach der Steuerklasse 1 und im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des hälftigen Familienzuschlags nach § 40 Bundesbesoldungsgesetz ein niedrigerer Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten, mithin ein Unterhaltsanspruch in einer Höhe, der dem geschiedenen Ehegatten auch ohne die Wiederverheiratung des Unterhaltspflichtigen zustünde, so hat dieser nur Anspruch auf den sich im Rahmen der Kontrollberechnung ergebenden geringeren Betrag.
Diese Entscheidung im Original nachlesen
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/duesseldorf/j20…
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Revision zugelassen. Die Frage, wie der nacheheliche Unterhalt bei konkurrierenden Ansprüchen gleichrangiger Ehegatten nunmehr nach der Unterhaltsreform zu berechnen ist, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich.