Entlastungsbetrag für Alleinerziehende verfassungsmäßig
BVerfG
Beschluss vom 22.05.2009
Norm: Artikel 6 Absatz 1, Artikel 3 Absatz 1 GG
Schlagworte:
Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, Prinzip der steuerlichen Leistungsfähigkeit, Gebot der Folgerichtigkeit
Redaktionelle Zusammenfassung
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass § 24 b Einkommensteuergesetz (EStG), der Alleinerziehenden einen jährlichen Entlastungsbetrag von derzeit 1308 Euro pro Jahr zugesteht, verfassungsgemäß ist. Der klagende verheiratete Vater war der Ansicht, die Benachteiligung von verheirateten Eltern, die den Entlastungsbetrag nicht bekommen können, verstoße gegen das Diskriminierungsgebot aus Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz, nach dem eine Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Ledigen und von ehelichen gegenüber anderen Erziehungsgemeinschaften untersagt ist.
Dies sah das Bundesverfassungsgericht anders: Der Gesetzgeber kann Verheiratete anders behandeln als Ledige, wenn dafür einleuchtende Sachgründe vorliegen. Ausgeschlossen sind von der Begünstigung nach § 24 b EStG jedoch nicht nur Verheiratete, sondern alle Erziehungsgemeinschaften mit zwei Erwachsenen in einem gemeinsamen Haushalt.
Verheiratete Eltern werden damit nicht anders betroffen als sonstige Steuerverpflichtete. Die steuerliche Entlastung wird "echten" Alleinerziehenden vorbehalten, die den Haushalt ohne Unterstützung eines anderen Erwachsenen zu betreuen haben. Anknüpfungspunkt für die gesetzliche Regelung ist die besondere Belastung, die bei Erziehungsgemeinschaften mit nur einem Erwachsenen vorliegt.
Auch eine mittelbare Diskriminierung von Verheirateten liegt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht vor. Dass die meisten Verheirateten tatsächlich zusammenleben und daher vom Entlastungsbetrag ausgeschlossen sind, ändert nichts daran, dass die verheirateten Eltern nur eine Teilmenge der Erziehungsgemeinschaften mit zwei Erwachsenen bilden. Denn grundsätzlich sind alle Lebensgemeinschaften, die zusammenleben, von der Entlastung ausgeschlossen.
Auch in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz wird der klagende Vater nicht verletzt. Dort ist festgeschrieben, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers ist im Bereich des Einkommenssteuerrechts durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der steuerlichen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit beschränkt.
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist es belanglos, ob die Regelung des Entlastungsbetrags einer tatsächlichen Mehrbelastung der Alleinerziehenden Rechnung trägt oder ob sie allein der sozialen Förderung dienen soll. Im ersten Fall liegt keine Abweichung von der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vor und im zweiten Fall rechtfertigt der Förderzweck die dann bestehende Abweichung von der Belastungsgleichheit.
Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll der Entlastungsbetrag ausgleichen, dass keine Synergieeffekte aufgrund einer anderen erwachsenen Person zur Haushaltsersparnis genutzt werden können. Wegen mangelnder Mobilität könnten höhere Kosten für den alltäglichen Einkauf oder erhöhte Kosten zur Deckung von Informations- und Kontaktbedürfnissen sowie für gelegentliche Dienstleistungen Dritter entstehen.
Wird der Entlastungsbetrag als reine Fördermaßnahme gesehen, handelt es sich laut Bundesverfassungsgericht um eine hinreichend sachlich begründete Fördermaßnahme. Die bei "echten" Alleinerziehenden regelmäßig vorliegende besondere zeitliche und psychosoziale Belastung sowie das erhöhte Armutsrisiko dieser Bevölkerungsgruppe seien Gründe von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. Vernachlässigbare Sonderfälle wie auswärts untergebrachte Kinder, bei denen die Haushaltszugehörigkeit fortbesteht oder Alleinerziehende, die von Einkünften aus Kapitalvermögen oder Vermietung und Verpachtung leben, lägen innerhalb der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers.
Der Gesetzgeber konnte den Entlastungsbetrag nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auch ohne Rücksicht auf erhaltene Unterhaltszahlungen gewähren. Denn die Dauer und Höhe etwaiger Unterhaltsansprüche differiere zu stark und außerdem könne nicht von ihrer pünktlichen und vollständigen Erfüllung ausgegangen werden.
Diese Entscheidung im Original nachlesen
http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20090522_2bv…