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Zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht eines umgangsunwilligen Elternteils

Brandenburgisches Oberlandesgericht (Oberlandesgericht Brandenburg)

Beschluss vom 21.01.2004

Norm: § 1684 BGB, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 5 GG

Schlagworte:

Pflicht der Eltern zum Umgang mit dem Kind, gerichtlich angeordneter Umgang des Vaters mit dem Kind gegen den Willen des Vaters, Vollstreckbarkeit, Erzwingen des Umgangs

Redaktionelle Zusammenfassung

Das Kind nicht miteinander verheirateter Eltern beantragt den Umgang mit seinem Vater. Der umgangsunwillige Vater ist mit einer anderen Frau verheiratet und hat mit dieser Ehefrau zwei Kinder.

Das Oberlandesgericht hat den Vater unter Androhung eines Zwangsgeldes dazu verpflichtet, sein Kind einmal pro Vierteljahr für die Dauer von zwei Stunden zu treffen. Der Umgang soll im Beisein eines sach- und fachkundigen Dritten stattfinden.

Der Vater hat die Vaterschaft anerkannt und zahlt mit Wissen seiner Ehefrau regelmäßig Unterhalt. Er hat sich aber seit der Geburt des Kindes geweigert, mit ihm irgendeinen Umgang zu haben oder es auch nur zu sehen. Der Vater wehrt sich gegen den Umgang mit der Argumentation, seine Ehe und das Familienleben mit seiner Frau und den gemeinsamen Kindern werde durch den Umgang mit einem Kind, das aus einer außerehelichen Beziehung stammt, gefährdet.

Das Amtsgericht hatte den Antrag des Kindes auf Umgang mit der Begründung zurückgewiesen, angesichts der nachhaltig ablehnenden Haltung des Vaters entspreche der Umgang nicht dem Kindeswohl des damals knapp zweijährigen Kindes.

Ein vom Oberlandesgericht eingeholtes Sachverständigengutachten kam zu dem Schluss, Schäden für das mittlerweile knapp fünfjährige Kind seien bei einem gerichtlich angeordneten Umgang nicht zu erwarten. Auch wenn der Vater sich beim Umgang abweisend und ablehnend verhalte, könne ein Schaden für das Kind dadurch vermieden werden, dass der Umgang von einem sachkundigen Dritten begleitet werde.

Gemäß § 1684 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch hat das Kind ein Recht auf Umgang mit seinem biologischen Vater und der Vater ist auch verpflichtet, den Umgang wahrzunehmen. Der Gesetzgeber hat das Umgangsrecht bewusst als subjektives Recht des Kindes ausgestaltet, um zu betonen, dass der Umgang der Eltern mit ihrem Kind ganz wesentlich dem Bedürfnis dient, Beziehungen zu beiden Elternteilen aufzubauen und erhalten zu können.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts hat das Amtsgericht bei seiner Entscheidung verkannt, dass das Umgangsrecht nur zum Wohl des Kindes eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann.

Das Umgangsrecht des Kindes dient nicht allein dem Erhalt bestehender Beziehungen, sondern auch dem im Interesse des Kindeswohls erforderlichen Neuaufbau solcher Beziehungen; dies auch unter dem Gesichtspunkt, den weiteren Elternteil als "Reserve-Elternteil" zu erhalten.

Gegen eine Umgangspflicht des Vaters nach § 1684 Bürgerliches Gesetzbuch greifen keine verfassungsrechtlichen Bedenken durch.

Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Artikel 2 Grundgesetz steht unter dem Vorbehalt, dass die Rechte anderer nicht verletzt werden. Die Abwägung des Gesetzgebers, der insoweit den Interessen des minderjährigen Kindes Vorrang vor dem Recht des Vaters auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit eingeräumt hat, ist unter verfassungsmäßigen Gesichtspunkten ebenso wenig zu beanstanden wie sonstige aus der Vaterschaft folgende Pflichten, etwa die Unterhaltspflicht. Dies folgt aus der - auch in Artikel 6 Grundgesetz zum Ausdruck kommenden - besonderen Schutzbedürftigkeit des Kindes, das für seine Existenz nicht verantwortlich ist.

Der besondere Schutz von Ehe und Familie aus Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz steht einer verfassungsmäßigen Auslegung und Anwendung von § 1684 Bürgerliches Gesetzbuch ebenfalls nicht entgegen. Selbst wenn man den Begriff der Familie so eng fasst, dass damit nur der Vater und seine Ehefrau sowie die gemeinsamen Kinder der miteinander verheirateten Eltern gemeint sind, ist der tatsächliche Eingriff, den diese "Familie" durch die Umgangsverpflichtung des Vaters mit seinem Kind aus einer anderen Beziehung hinnehmen muss, eher gering und auf keinen Fall unverhältnismäßig.

Der Zeitaufwand, den der Vater für die Umgangsverpflichtung aufwenden muss, bedeutet lediglich, dass er einmal im Vierteljahr seiner Familie während weniger Stunden nicht zur Verfügung steht. Dies stellt keinen verfassungsrechtlich relevanten Eingriff in den grundsätzlich geschützten Bereich der Familie dar.

Die Drohung der Ehefrau, ihren Mann zu verlassen, wenn er Kontakt zu seinem Kind aus der außerehelichen Beziehung aufnimmt, kann zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führen. Niemand käme ernsthaft auf den Gedanken, andere zivilrechtliche Forderungen wie z. B. Unterhaltsforderungen von Kindern, die nicht dem engeren Familienverband angehören, unter Hinweis auf Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz für verfassungswidrig zu halten, nur weil der Ehegatte damit droht, für den Fall der gerichtlichen Durchsetzung dieser Forderungen die Ehe aufzukündigen.

Auch die Beeinträchtigung der aus der Ehe des Vaters hervorgegangenen Kinder ist nur geringfügig. In beiden Fällen steht der Schutz der Familie aus Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz dem Schutz des Kindes aus einer unehelichen Beziehung aus Artikel 6 Absatz 5 Grundgesetz gegenüber. Artikel 6 Absatz 5 Grundgesetz schränkt die Institutionsgarantie der Ehe insofern ein; die mögliche geringfügige Beeinträchtigung der Ehefrau und der gemeinsamen, aus der Ehe hervorgegangenen Kinder ist aus Artikel 6 Absatz 5 Grundgesetz gerechtfertigt und von der ehelichen Familie des Vaters hinzunehmen.

Die Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall, dass der Vater seiner Umgangsverpflichtung nicht nachkommt, ist nach Ansicht des Oberlandesgerichtes gerechtfertigt, da der Gesetzgeber den Ausschluss der Vollstreckbarkeit, der ursprünglich im Regierungsentwurf vorgesehen war, explizit nicht übernommen und damit ganz bewusst die Entscheidung für die Vollsteckbarkeit der Umgangsverpflichtung aus § 1684 Bürgerliches Gesetzbuch getroffen hat. Somit ergibt sich die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung und Erzwingung nach Ansicht des Oberlandesgerichts unmittelbar aus dem Gesetz.

Diese Entscheidung im Original nachlesen

http://www.olg.brandenburg.de/sixcms/media.php/425…

Vergleiche zum Fortgang des Verfahrens: Bundesverfassungsgericht vom 01.04.2008 (1 BvR 1620/04)