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Zwangsgeld und Bedeutung des Kindeswillens im Umgangsrecht: Altersgrenze für Durchsetzung des Umgangs mit erzieherischen Mitteln

Oberlandesgericht Karlsruhe

Beschluss vom 26.10.2004

Norm: § 1684 Abs. 2 BGB, § 1631 Abs. 2 BGB

Schlagworte:

Antrag auf Aussetzung des Umgangs, Verhängung von Zwangsgeld wegen Verstoß gegen die Umgangsregelung, Durchsetzung des Umgangs mit erzieherischen Mitteln, Altersgrenze

Redaktionelle Zusammenfassung

Der mit der Mutter verheiratete, aber von ihr getrennt lebende Vater bekam ein wöchentliches begleitetes Umgangsrecht mit dem gemeinsamen Kind zugesprochen. Nachdem der erste Besuchstermin nicht stattgefunden hatte, nahm der Vater das Kind aus der Spielgruppe und tauchte sechs Tage mit ihm unter.

Daraufhin wurde das Kind eineinhalb Monate in einem Kinderheim untergebracht, anschließend der Mutter zur Pflege und Erziehung zugewiesen und dem Vater weiterhin ein begleitetes Umgangsrecht für drei Stunden wöchentlich eingeräumt. Nachdem einige Umgangstermine zustande gekommen waren, fanden acht Umgangstermine nicht statt, sieben mit der Begründung, dass das Kind nicht zum Vater wolle, der achte, mit ärztlichem Attest, weil das Kind krank war.

Das Familiengericht setzte für jede Zuwiderhandlung gegen den Umgangsbeschluss, außer im Falle des durch Krankheit entschuldigten Umgangstermins, ein Zwangsgeld von 1.400 Euro fest, insgesamt 9.800 Euro. Gegen diesen Beschluss legte die Mutter Beschwerde ein.

Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde der Mutter zurück.

Die Tatsache, dass die Mutter einen Antrag auf Aussetzung des Umgangs gestellt hat, steht der Verhängung von Zwangsgeldern nicht entgegen. Solange eine vom Familiengericht getroffene Umgangsregelung besteht, also nicht ausgesetzt ist, ist die Umgangsregelung in Kraft und somit vollziehbar und auch vollstreckbar. Die bloße Erwartung, mit einem Aussetzungsantrag Erfolg zu haben, ändert die Situation nicht. Eine andere Bewertung mag nur dann geboten sein, wenn nachträglich erhebliche neue Gründe für die Aussetzung des Umgangs entstanden sind und der Verpflichtete durch diese Gründe bis zu der beantragten neuen Regelung des Umgangs in eine Art Zwangslage gerät.

Denn dann kann es an der für eine Zwangsgeldfestsetzung  schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die Umgangsanordnung fehlen.

Im vorliegenden Fall aber streiten die Eltern im neuen Umgangsverfahren und im Zwangsgeldverfahren die ganze Zeit aus den gleichen Erwägungen darüber, ob dem Kind ein Umgang mit dem Vater zuzumuten ist. Dies rechtfertigt keine Aussetzung des Zwangsgeldverfahrens.

Die ablehnende Haltung des Kindes steht der Verhängung des Zwangsgeldes nach Ansicht des Oberlandesgerichts nicht entgegen. Bei älteren Kindern kommt deren nachvollziehbaren und unbeeinflussten Willen bei der Umgangsregelung zwar erhebliche Bedeutung zu.

Bei jüngeren Kindern jedoch - das Kind war im vorliegenden Fall zur Zeit der mit Zwangsgeld belegten Umgangstermine 4 Jahre alt - wird angenommen, dass es bei sachgerechtem Einsatz der erforderlichen erzieherischen Fähigkeiten dem umgangsverpflichteten Elternteil gelingt, die ablehnende Haltung des Kindes gegenüber den Umgangskontakten zu überwinden. Die Altersgrenze ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts bei ca. 9 bis 10 Jahren zu ziehen.

Die Verpflichtung des betreuenden Elternteils, aufgrund seiner elterlichen Autorität durch geeignete Maßnahmen auf das Kind einzuwirken und einen entgegenstehenden Widerstand des Kindes zu überwinden, ergibt sich nach Ansicht des Oberlandesgerichts aus § 1684 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch.

Der Ansicht der Mutter, sie könne nicht durch ein Zwangsgeld dazu angehalten werden, den Willen des Kindes durch elterlichen Zwang zu überwinden, weil sie ihm damit seelische Verletzungen zufüge, die gemäß § 1631 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch  unzulässig sind, bewertete das Oberlandesgericht als nicht richtig.

Unter seelischen Verletzungen im Sinne des § 1631 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch  sind vor allem sprachliche Äußerungen der Nichtachtung oder Verachtung zu verstehen. Insoweit handelt es sich um ein von der Vorschrift negativ bewertetes Erziehungsmittel. Die Förderung des Umgangs des Kindes mit dem Vater setzt keine seelischen Verletzungen im Sinne des § 1631 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch voraus. Aus einem Bericht der Umgangsbegleiterin geht hervor, dass das Kind  gerne mit seinem Vater zusammen ist. Wäre es der Mutter möglich, dem Kind zu vermitteln, dass sie hinter den Umgangskontakten mit dem Vater steht, wäre dies nach Ansicht des Oberlandesgerichts keine seelische Verletzung, sondern die einzig richtige Erziehungsmaßnahme im Interesse des Kindes.

Das OLG Karlsruhe ist auch der Ansicht, dass das Zwangsgeld angesichts der wirtschaftlichen Situation der Mutter nicht als zu hoch anzusehen ist.

Diese Entscheidung im Original nachlesen

http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechun…