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Straftatbestand der Kindesentziehung schützt auch das Umgangsrecht

Bundesgerichtshof

Beschluss vom 11.02.1999

Norm: § 235 StGB

Schlagworte:

Straftatbestand der Kindesentziehung schützt auch das Umgangsrecht, allein sorgeberechtigter Elternteil darf umgangsberechtigtem Elternteil das Kind nicht entziehen

Redaktionelle Zusammenfassung

Der Vater ist wegen Kindesentziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hat den Schuldspruch bestätigt, zur erneuten Festsetzung der Strafe jedoch an eine andere Strafkammer des Landgerichtes zurückverwiesen.

Die Eltern waren verheiratet. Die Ehe wurde geschieden, als das Kind 7 Jahre alt war. Der Vater des Kindes stammt aus Pakistan, hat aber nach der Heirat mit der deutschen Mutter die pakistanische Staatsbürgerschaft aufgegeben und die deutsche angenommen. Das Kind besitzt beide Staatsbürgerschaften.

Bereits kurz vor der Scheidung hatte der Vater das gemeinsame Kind gegen den Willen seiner damaligen Ehefrau vorübergehend nach Pakistan gebracht und so durchgesetzt, dass die Mutter in dem Scheidungsverfahren einer Übertragung der elterlichen Sorge auf ihn zustimmte.

Das Kind lebte beim Vater, der es im islamischen Glauben erzog. Die Mutter erhielt ein Umgangsrecht mit dem Kind für jedes Wochenende. Drei Jahre nach der Scheidung heiratete der Vater eine pakistanische Frau.

Aufgrund von Streitigkeiten der Eltern über unregelmäßigen Schulbesuch des Kindes und Beeinträchtigungen des Umgangsrechts sowie einer Verurteilung des Vaters wegen einer Messerstecherei beantragte die Mutter die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich selbst im Wege der einstweiligen Anordnung, weil sie befürchtete, der Vater könne das Kind erneut nach Pakistan bringen.

Nachdem der Vater dem Gericht und Mitarbeitern des Jugendamtes versichert hatte, er habe nicht vor, das Kind nach Pakistan zu bringen, untersagte das Oberlandesgericht dem Vater lediglich, bis zur Entscheidung über das Sorgerecht mit dem Kind Deutschland zu verlassen.

Trotzdem brachte der Vater des Kind in der Folge nach Pakistan, wo es seitdem bei einem achtzigjährigen Großvater lebt. Auch nachdem der Mutter die elterliche Sorge übertragen worden war, blieben alle Versuche, den Jungen aus Pakistan zurückzuholen, erfolglos. Weder ein gerichtlicher Herausgabebeschluss verbunden mit einer sechsmonatigen Beugehaft noch die seit über einem Jahr andauernde Untersuchungshaft haben den Vater bisher bewegen können, die Rückkehr des Kindes herbeizuführen.

Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung des Vaters wegen Kindesentziehung bestätigt und lediglich bezüglich des Strafmaßes die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Zweck des elterlichen Umgangsrechtes gebietet es, dieses in den Schutzbereich des § 235 Strafgesetzbuch einzubeziehen. Das Umgangsrecht schützt auch das zwar ruhende, aber unter bestimmten Umständen wiederauflebende Sorgerecht des zur Zeit gerade nicht sorgeberechtigten Elternteils und dient damit letztlich auch der ungestörten Entwicklung des Kindes. Einer Entfremdung zwischen Kind und nicht sorgeberechtigtem Elternteil soll vorgebeugt werden, weil dieser gemäß §§ 1678 Absatz 2, 1680 Absatz 2 und 3, 1696 Bürgerliches Gesetzbuch jederzeit wieder in das Sorgerecht einrücken kann und dann die weitere Erziehung des Kindes zu verantworten hat.