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Schadensersatz bei eigenmächtigem Abweichen von gerichtlichen Umgangsregelungen

Bundesgerichtshof

Beschluss vom 19.06.2002

Norm: None

Schlagworte:

Schadensersatz für Mehraufwendungen aufgrund nicht in vorgesehener Art und Weise gewährten Umgangs, eigenmächtiges Abweichen von den gerichtlich festgesetzten Umgangsregelungen, nachträglich auftretende Belange des Kindeswohls ohne Möglichkeit, das Gericht im Eilverfahren einzuschalten (vorläufiger Rechtsschutz)

Redaktionelle Zusammenfassung

Der Vater verlangt von der Mutter Ersatz für Mehrkosten, die ihm durch ihr Verhalten bei der Wahrnehmung seines Rechtes zum Umgang mit dem gemeinsamen Kind entstanden sind. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte die Klage des Vaters abgewiesen und seine Berufung zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Mutter mit ihrer Weigerung, die vom Familiengericht festgelegte Umgangsregelung einzuhalten, dem Vater gegenüber eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen hat und ihm deshalb grundsätzlich schadensersatzpflichtig ist. Da das Oberlandesgericht aufgrund eines anderen Rechtsstandpunktes zur Höhe des Schadens und zu einem etwaigen Mitverschulden des Vaters keine Feststellungen getroffen hat, hat der Bundesgerichtshof die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Nach der Scheidung der Eltern wurde die Sorge für das Kind der Mutter übertragen und das Umgangsrecht für den Vater für die Zeit bis zur Einschulung des Kindes geregelt. Danach sollte der Vater das Kind an bestimmten Wochenenden am Wohnsitz der Mutter besuchen und an genau bestimmten anderen Wochenenden und zu bestimmten Ferienzeiten sollte das Kind den Vater an dessen Wohnsitz besuchen, wobei das Kind  diese Strecke mit dem Flugzeug, durch einen Service der Fluglinie begleitet, zurücklegen sollte. Vorgesehen war, dass die Mutter das Kind an ihrem Wohnsitz jeweils zum Flughafen bringt und dort abholt und der Vater ebenso an seinem Wohnsitz. Gegen diese Umgangsregelung legten Mutter und Jugendamt Beschwerde ein. Nach gut vier Monaten und Einholung eines Sachverständigengutachtens änderte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Umgangsregelung insoweit ab, als die regelmäßigen Umgänge des Vaters auf Besuche am Wohnort der Mutter begrenzt  und Flugreisen auf Ferienbesuche beim Vater beschränkt wurden.

In der zwischen den Regelungen der Gerichte liegenden Zeit lehnte es die Mutter an sechs der festgelegten Termine ab, das Kind zum Flughafen zu bringen, worauf der Vater das Kind jeweils mit dem Auto abholte und zu seinem Wohnsitz fuhr. Von dort schickte er es jeweils mit dem Flugzeug zurück, wobei die Mutter es am Flughafen abholte. Der Vater fordert nun von der Mutter Kosten zurück, die ihm für die Autofahrten und Rückflüge des Kindes entstanden sind und nach seiner Behauptung die Kosten übersteigen, die ihm bei Einhaltung der vom Gericht getroffenen Hin- und Rückflugregelung entstanden wären.

Das jedem Elternteil von § 1684 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch eröffnete Recht zum Umgang mit dem Kind begründet zwischen dem Umgangsberechtigten und dem zur Gewährung des Umgangs Verpflichteten ein gesetzliches Rechtsverhältnis familienrechtlicher Art, das durch § 1684 Absatz 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch näher ausgestaltet wird. Da die mit der Ausübung des Umgangsrechtes verbundenen Kosten grundsätzlich vom Umgangsberechtigten zu tragen sind, umfasst dieses gesetzliche Rechtsverhältnis die Pflicht, bei der Gewährung des Umgangs auf die Vermögensbelange des Umgangsberechtigten Bedacht zu nehmen und diesem die Wahrnehmung seines Umgangsrechts mit dem Kind nicht durch die Auferlegung unnötiger Vermögensopfer zu erschweren oder gar - entgegen dem Kindeswohl - für die Zukunft zu verleiden. Eine Verletzung dieser Verpflichtung kann Schadensersatzpflichten des Verletzers gegenüber dem umgangsberechtigten Elternteil auslösen.

Das Recht und die Pflicht zum Umgang ist im vorliegenden Fall durch eine familiengerichtliche Entscheidung konkretisiert worden. Mit dem Wirksamwerden der familiengerichtlichen Entscheidung  sind alle Beteiligten an die Konkretisierung dieses Pflichtrechtes gebunden. Das schließt grundsätzlich aus, dass der betreuende Elternteil dem umgangsberechtigten Elternteil den festgelegten Umgang verweigert, mögen auch aus seiner Sicht beachtliche Gründe gegen die familiengerichtliche Regelung sprechen; denn die ordnende Wirkung dieser Regelung wäre überflüssig, könnte jeder Elternteil seine eigene Bewertung des Kindeswohls an die Stelle der gerichtlichen Würdigung setzen.

Soweit ein Elternteil die gerichtliche Einschätzung der Belange des Kindeswohls durch das Gericht nicht teilt, kann er Beschwerde einlegen. Das Beschwerdegericht kann, wenn es wie hier weitere Ermittlungen für notwendig hält, durch einstweilige Anordnung die Vollziehung der Umgangsregelung aussetzen oder durch eine eigene vorläufige Regelung verändern. Macht das Beschwerdegericht von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch, bleibt die ursprüngliche Umgangsregelung bestehen und damit auch die grundsätzliche Bindung der Beteiligten an diese.

Wenn neue, vom Familiengericht nicht berücksichtigte Entwicklungen die strikte Einhaltung der bereits getroffenen Regelung erschweren oder als dem Kindeswohl nicht zuträglich erscheinen lassen, kann eine Änderung der Umgangsregelung - in dringlichen Fällen im Wege der einstweiligen Verfügung - beantragt werden.

Ansonsten ist nur dann Raum für einseitige Maßnahmen ohne vorherige Gestattung des Gerichts, wenn zwingende Belange des Kindeswohls dies erfordern und eine rechtzeitige erneute Befassung des Gerichts auch im Wege des Eilverfahrens nicht möglich ist  und die für eine Abweichung von der familiengerichtlichen Regelung geltend gemachten Belange erst nach dieser Regelung aufgetreten oder erkennbar geworden, jedenfalls vom Familiengericht bei seiner Würdigung des Kindeswohls ersichtlich nicht bedacht worden sind. Eine von der Auffassung des Familiengerichts abweichende Beurteilung des Kindeswohls durch einen Beteiligten vermag dagegen auch in Eilfällen eine einseitige Abkehr von der familiengerichtlichen Regelung nicht zu rechtfertigen.

Daher vermag auch die Überzeugung der Mutter, die in der familiengerichtlichen Umgangsregelung vorgesehenen Flugreisen seien dem Wohl des Kindes abträglich, ihre Pflichtverletzung gegenüber dem Vater weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen. Die spätere Entscheidung des Oberlandesgerichts, die den Besorgnissen der Mutter teilweise Rechnung trägt,  ändert an der Verbindlichkeit der familiengerichtlichen Entscheidung ebenso wenig wie an dem Gebot, eine vorläufige Änderung dieser Regelung nicht eigenmächtig, sondern nur mit den dafür vorgesehenen Mitteln des einstweiligen oder vorläufigen Rechtsschutzes zu erwirken.

Diese Entscheidung im Original nachlesen

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtspr…