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Rechtmäßigkeit eines befristeten Umgangsausschlusses mit dem leiblichen Kind

Bundesverfassungsgericht

Beschluss vom 25.04.2015

Norm: EMRK Art. 8; GG Art. 6 Absatz 2

Schlagworte:

befristeter Umgangsausschluss, Kindeswille, Kindeswohl, Verhältnismäßigkeit

Redaktionelle Zusammenfassung

Sachverhalt:

Die Eltern hatten sich kurz nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes im Jahr 2003 getrennt. Es bestand seitdem ein massiver Elternkonflikt. Ein vom Vater erstmals 2005 beantragtes Umgangsverfahren endete 2010 mit der Anordnung von Umgängen, die anfangs durch einen Umgangspfleger begleitet werden sollten. Die Umgänge fanden größtenteils nicht statt, so dass das Amtsgericht 2011 ein Abänderungsverfahren zum Umgangsrecht von Amts wegen einleitete. Mit Beschluss vom 12. November 2013 wurde der Umgang bis zum 31. Oktober 2015 ausgeschlossen. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde des Vaters änderte das Oberlandesgericht den Beschluss des Amtsgerichts insofern ab, als es ihm eine Kontaktaufnahme zum Kind einmal je Kalendermonat per Brief gestattete und der Mutter aufgab, dem Kind die Briefe unverzüglich auszuhändigen. Der Vater hat dagegen Verfassungsbeschwerde erhoben, weil er sich in seinem Elternrecht aus Art. 6 Absatz 2 GG verletzt sah.

Die insgesamt lange Verfahrensdauer bis zur vorliegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hatten zum einen die Gerichte zu verantworten, zum anderen aber auch der Vater durch verfahrensverzögerndes Verhalten in erheblichem Maße.
Die Gerichte begründeten den befristeten Umgangsausschluss mit dem erklärten Willen
des Kindes, der Unfähigkeit der Mutter, dem Kind ein positiveres Vaterbild zu vermitteln, und dem eingeschränkten Gespür des Beschwerdeführers, die kindlichen Bedürfnisse in der hochstrittigen familiären Situation zu erkennen und ihnen Rechnung zu tragen.

Das angehörte Kind sprach sich  durchgehend zu verschiedenen Zeitpunkten und vehement gegen jegliche Umgangskontakte aus.

Zusammenfassung:

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde wegen fehlender Annahmevoraussetzungen zwar nicht in der Sache entschieden, aber die Anordnung des befristeten Umgangsausschluss für verfassungsgemäß erachtet. Es hat aus Anlass dieses Verfahrens einen Maßstab formuliert, an dem die Rechtmäßigkeit eines Umgangsausschlusses zu messen sei.
Danach käme ein solcher in Betracht, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwenden. Es seien die Grundrechtsposition des Elternteils wie auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger zu berücksichtigen. Dabei sei zu beachten, dass das Kind mit der Kundgabe seines Willens von seinem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch mache und dass seinem Willen mit zunehmendem Alter größere Bedeutung zukomme. Ein gegen den ernsthaften Widerstand des Kindes erzwungener Umgang könne unter Umständen mehr Schaden anrichten als nutzen.
Auch ein auf einer bewussten oder unbewussten Beeinflussung beruhender Wunsch könne beachtlich sein, wenn er Ausdruck echter Bindungen ist. Das Außerachtlassen des beeinflussten Willens sei nur dann gerechtfertigt, wenn die manipulierten Äußerungen des Kindes den wirklichen Bindungsverhältnissen nicht entsprechen.

Gemessen an diesen Grundsätzen hätten die Fachgerichte den Umgangsausschluss nachvollziehbar begründet. Eine Kindeswohlgefährdung sei darin zu sehen, dass „das Kind ein Übergehen seiner Willensäußerung als Kontrollverlust bezüglich seiner Person erleben und es seine Selbstwirksamkeitsüberzeugung verlieren würde, was zu psychischen Erkrankungen oder Verhaltensauffälligkeiten des Kindes führen könnte“.
Das Bundesverfassungsgericht hat ferner die Verhältnismäßigkeit des Umgangsausschlusses festgestellt und dies mit der kontraproduktiven Wirkung von Zwangsmaßnahmen gegenüber der Mutter zur Ermöglichung des Umgangs begründet. Auch die Dauer des Umgangsausschlusses sei nicht zu beanstanden. Denn zum einen könne ein nach der Befristung dann knapp dreizehnjähriges Kind im Rahmen seiner Persönlichkeitsentwicklung ein eigenständiges Interesse am Vater entwickeln. Zum anderen sei entscheidend, dass der Umgangsausschluss regelmäßig gerichtlich überprüft werden kann: Gemäß § 1696 Absatz 1 BGB bestünde jederzeit diese Möglichkeit mit dem Ziel, eine Abänderung herbei zu führen, wenn Änderungsgründe eingetreten seien, sich insbesondere das Verhältnis zwischen Elternteil und Kind verbessert habe.

Da der Grundrechtsschutz auch durch die Gestaltung des Verfahrens sicherzustellen sei und die  Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens der Durchsetzung der Grundrechtsposition des Kindes dienen solle, sei es Aufgabe der Gerichte, die Gründe für die Ablehnung des Umgangs mit dem nichtsorgeberechtigten Elternteil zu ermitteln. Im vorliegenden Falle hätten die Gerichte alle notwendigen Ermittlungen durchgeführt, um über eine zuverlässige, am Kindeswohl orientierte Entscheidungsgrundlage zu verfügen. Insbesondere seien die Stellungnahme der Verfahrensbeiständin, des Jugendamtes, einer Sachverständigen und der Umgangsbegleiter eingeholt sowie das Kind, die Mutter, das Jugendamt, die Verfahrensbeiständin und die Sachverständige persönlich angehört worden.

 

Diese Entscheidung im Original nachlesen

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs…