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Keine Pflicht des Gesetzgebers zur Einführung des paritätischen Wechselmodells

Bundesverfassungsgericht

Beschluss vom 22.01.2018

Norm: GG Art. 6 Absatz 2 Satz 1, BGB § 1671 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2

Schlagworte:

Wechselmodell, Sorgerecht, Umgangsrecht, Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft

Redaktionelle Zusammenfassung

Sachverhalt
Die nicht miteinander verheirateten gemeinsam sorgeberechtigten getrennt lebenden Eltern streiten (u.a.) um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ein 2009 geborenes Kind. Das Kind lebt seit der Trennung der Eltern im Haushalt der Mutter.

Zusammenfassung
Im Ausgangsverfahren, einem Sorgerechtsverfahren, übertrug das Amtsgericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind auf die Mutter. Der Antrag des Vaters auf Einrichtung eines paritätischen Wechselmodells wurde zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Vaters wies das OLG Frankfurt zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es dem Kindeswohl besser entspräche, der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Maßstab der Prüfung sei § 1671 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, wonach dem Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge stattzugeben ist, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Ein paritätisches Wechselmodell käme hier wegen der mangelnden Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft der Eltern nicht infrage.
Der Beschwerdeführer macht mit seiner Verfassungsbeschwerde geltend, in seinem Elternrecht aus Art. 6 Absatz 2 Satz 1 GG, seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Absatz 1GG, seinem Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Absatz 1 und Absatz 2 GG und dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Absatz 3 GG verletzt zu sein. Denn die aktuelle Gesetzeslage und deren Anwendung durch die Gerichte sähe ein paritätisches Wechselmodell nicht als Regelfall für die gemeinsame Erziehung und Pflege eines Kindes durch getrennt lebende Elternteile vor.
Insoweit sei eine völkerrechtskonforme Auslegung der als verletzt gerügten Grundrechte geboten. Insbesondere an dem völkerrechtlichen Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 (UN3. Kinderrechtskonvention) folge, dass ein paritätisches Wechselmodell das Regelbetreuungsmodell bei getrennt lebenden Eltern sein müsse.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde mit Nichtannahmebeschluss nicht zur Entscheidung angenommen.
Nichtannahmebeschluss bedeutet, dass die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat, weil nicht erkennbar ist, dass der Beschwerdeführer durch ein verfassungswidriges Gesetz oder durch verfassungswidrige Rechtsanwendung in seinen Grundrechten verletzt sein könnte.
Der Gesetzgeber muss den Gerichten keine paritätische Betreuung als Regelfall vorgeben, wenn es um Rechte und Pflichten getrennt lebender Eltern geht. Das BVerfG war bereits 2015 mit dem Wechselmodell befasst. Es stellte fest, dass aus Art. 6 Absatz 2 Satz 2 GG nicht abgeleitet werden kann, dass der Gesetzgeber eine paritätische Beteiligung der Eltern an der Sorge als gesetzlichen Regelfall vorgeben muss (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. Juni 2015 – 1 BvR 486/14). Daran hält das Bundesverfassungsgericht fest.
Dass der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich festgestellt hat, dass ein paritätisches Wechselmodell in Gestalt einer Umgangsregelung je nach den Umständen des Einzelfalls – vor allem nach Maßgabe des Kindeswohls – auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2017 – XII ZB 601/15, redaktionelle Zusammenfasssung hier) stehe hierzu nicht im Widerspruch.
Dass der Gesetzgeber eine paritätische Betreuung als Regel vorsehen müsste, folge auch nicht aus einer völkerrechtskonformen Auslegung des Grundgesetzes im Lichte der UN-Kinderrechtskonvention.

Anmerkung
Das BVerfG hält auch nach dem Beschluss des BGH aus dem Jahr 2017 – wonach ein Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich angeordnet werden kann – an der Auffassung fest, dass der Gesetzgeber Eltern die paritätische Betreuung ihrer Kinder nicht als Regel vorgeben muss. Verfassungsrechtlich sei nicht zu beanstanden, wenn die Familiengerichte die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells wegen eines hochstrittigen Elternverhältnisses ablehnen. Der BGH hat in seinem Beschluss von 2017 hervorgehoben, dass entscheidender Maßstab der Regelung das Kindeswohl ist. Dem Kindeswohl entspricht es aber nicht, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit erst herbeizuführen. Damit hat auch der BGH 2017 klargestellt, dass auch die Rechtsprechung das Wechselmodell nicht als Standardmodell zugrunde legen kann.

 

 

Diese Entscheidung im Original nachlesen

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs…