Biologischer Vater hat Elternrecht nur bei tatsächlich entstandener sozialer Beziehung zum Kind
Bundesverfassungsgericht
Beschluss vom 20.09.2006
Norm: Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG, § 1684 Abs. 1 BGB, § 1685 Abs. 2 BGB, § 1686 BGB
Schlagworte:
Biologischer Vater, kein Elternrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz ohne tatsächliches Tragen der Elternverantwortung, Verhalten vor der Geburt des Kindes begründet keine schützenswerte familiäre Verbundenheit
Redaktionelle Zusammenfassung
Der mutmaßliche biologische Vater hatte eine Beziehung mit einer verheirateten Frau, die von ihrem Ehemann getrennt lebte. Die Frau wurde schwanger, beendete die Beziehung, kehrte zu ihrem Ehemann zurück und bekam das Kind. Die Eheleute halten es für möglich, dass der Ehemann der Vater des Kindes ist. Ebenso halten sie es für möglich, dass der ehemalige Freund der Mutter der Vater des Kindes sein kann. Im Interesse ihres familiären Zusammenlebens möchten die Eheleute diese Frage jedoch nicht klären.
Der mutmaßliche biologische Vater stellte Anträge auf Umgang mit dem Kind und Auskunft über seine persönliche Lebenssituation. Die Anträge hatten keinen Erfolg.
Dagegen wendete sich der mutmaßliche biologische Vater mit einer Verfassungsbeschwerde. Er ist der Ansicht, dass in dem von ihm betriebenen Umgangsverfahren jedenfalls die biologische Abstammung des Kindes von ihm hätte geklärt werden müssen. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat.
Das Umgangsverfahren dient nicht der Vaterschaftsfeststellung. Soweit der mutmaßliche biologische Vater sich gegen die Zurückweisung von Umgangs- und Auskunftsansprüchen wendet, ohne vorher die Vaterschaft des Ehemannes gemäß § 1600 Absatz 1 Nummer 2 Bürgerliches Gesetzbuch angefochten zu haben, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.
Der mutmaßliche biologische Vater ist nicht Träger des Elternrechtes aus Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz. Inhaber des Elternrechts aus Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz ist, unabhängig davon, ob sich die Elternschaft auf Abstammung oder Rechtszuweisung gründet, wer zugleich die Elternverantwortung trägt. Dies ist im vorliegenden Fall der rechtliche Vater des Kindes, nämlich der Ehemann. Er verliert sein Elternrecht nicht allein dadurch, dass sich ein anderer Mann als biologischer Vater herausstellt.
Weder § 1684 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch noch § 1686 Bürgerliches Gesetzbuch verstoßen insoweit gegen Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz, weil sie die Umgangs- und Auskunftsrechte an die rechtliche Elternschaft knüpfen. Die Entscheidungen der Gerichte, die der mutmaßliche biologische Vater mit der Verfassungsbeschwerde angreifen möchte, stützen sich auf diese Vorschriften und sind deshalb nicht zu beanstanden.
Der mutmaßliche biologische Vater ist der Ansicht, sein Verhalten vor der Geburt des Kindes habe bereits eine schützenswerte familiäre Verbundenheit begründet. So hätten er und seine ehemalige Freundin das Kind gemeinsam geplant. Er sei mit zu Schwangerschaftsuntersuchungen gegangen und seine ehemalige Freundin habe ihn gegenüber Dritten als den Vater des Kindes vorgestellt. Er ist der Ansicht, Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz schütze die familiäre Verbundenheit, die auf Übernahme von Verantwortung für das Kind beruhe. Eine solche Verantwortungsübernahme sei aber nicht erst ab Geburt möglich, sondern könne sich schon aus dem Verhalten vor der Geburt ergeben.
Demgegenüber ist das Bundesverfassungsgericht der Ansicht, dass der Schutz des Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz nicht schon aus der Bereitschaft des mutmaßlichen biologischen Vaters entsteht, Verantwortung tragen zu wollen noch aus dem Wunsch, eine sozial-familiäre Bindung zu dem Kind entstehen zu lassen. Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz schützt die Beziehung des biologischen, aber nicht rechtlichen Vaters zu seinem Kind, wenn zwischen ihm und dem Kind eine soziale Beziehung besteht, die darauf beruht, dass er zumindest eine Zeit lang tatsächlich Verantwortung für das Kind getragen hat. Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz schützt das Interesse am Erhalt dieser sozial-familiären Beziehung und damit am Umgang miteinander.
Diesen Grundsätzen trägt § 1685 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch Rechnung, wonach engen Bezugspersonen des Kindes ein Recht auf Umgang gewährt wird, wenn diese für das Kind tatsächlich Verantwortung tragen oder getragen haben. Dies war im vorliegenden Fall nicht so, denn eine sozial-familiäre Bindung ist zwischen dem mutmaßlichen biologischen Vater und dem Kind niemals entstanden. Die Entscheidungen der Gerichte, die sich auf § 1685 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch stützen, sind daher nicht zu beanstanden.