Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf beide Eltern
Oberlandesgericht Hamm
Beschluss vom 30.11.1998
Norm: § 1628 BGB, § 1696 BGB
Schlagworte:
Realistische Möglichkeit der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes ins Ausland, Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts als Teilbereich der elterlichen Sorge
Redaktionelle Zusammenfassung
Bei der Scheidung wurde der Mutter die alleinige elterliche Sorge für das Kind übertragen. Der Vater beantragte die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf ihn, hilfsweise die Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Das Oberlandesgericht änderte die getroffene Sorgerechtsregelung nur in Bezug auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht ab. Dieses übertrug es auf beide Eltern gemeinsam, im Übrigen verblieb es bei der Alleinsorge der Mutter.
Es besteht die Möglichkeit, dass die Mutter zusammen mit dem Kind ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort ins Ausland verlegt. Nach Darstellung des Vaters hat sie diese Absicht geäußert. Selbst hat sie zwar erklärt, dass eine solche Absicht derzeit nicht konkret bestehe. Trotzdem ist eine solche Möglichkeit nicht unrealistisch, da die Mutter auch im Scheidungsverfahren angegeben hatte, in der Nähe der Wohnung ihrer Eltern wohnen bleiben zu wollen, nach Abschluss des Verfahrens jedoch ihren Wohnsitz geändert hat.
Mit einem Umzug ins Ausland würde sich die Lebenssituation des Kindes, das inzwischen eingeschult ist, entscheidend verändern. Das Wohl des Kindes wäre aus jetziger Sicht nachhaltig berührt. Daher hielt es das Oberlandesgericht für angebracht, eine Überprüfung der Veränderung des gewöhnlichen Aufenthaltes ins Ausland zu ermöglichen, indem es das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil der elterlichen Sorge der Mutter nicht zur alleinigen Ausübung, sondern nur zusammen mit dem Vater überließ. Sollten die Eltern im Falle eines von der Mutter beabsichtigten dauerhaften Aufenthaltswechsels nicht zu einem Einvernehmen gelangen, so müsste dazu eine Entscheidung des Familiengerichts gemäß § 1628 Bürgerliches Gesetzbuch herbeigeführt werden. Das Gericht wollte mit dieser Konstellation vermeiden, dass die Mutter mit einem Ortswechsel Umstände schafft, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
Eine weitere Übertragung von Teilen der elterlichen Sorge auf den Vater, wie von diesem beantragt, oder die Anordnung gemeinsamer Sorge kam für das Oberlandesgericht im Hinblick auf die erheblichen Spannungen und die insbesondere von Seiten des Vaters signalisierte fehlende Kooperationsbereitschaft nicht in Betracht. Hinsichtlich des den Eltern gemeinsam übertragenen Aufenthaltsbestimmungsrechts bedarf es dagegen keiner ständigen Kooperation, da die Regelung nur einen Einzelfall, nämlich den dauerhaften Aufenthaltswechsel der Mutter zusammen mit dem Kind, betrifft.
Eine erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls ist bei Fortbestehen der übrigen Alleinsorgeregelung zugunsten der Mutter nicht zu erwarten. Eine Rechtfertigung für eine Abänderungsentscheidung nach § 1696 Bürgerliches Gesetzbuch ist nicht gegeben.
Die Erziehungsfähigkeit der Mutter wird nicht dadurch grundsätzlich in Frage gestellt, dass ihr Selbstfindungsprozess für sie erheblich wichtiger ist, als eine solide wirtschaftliche und berufliche Grundlage für sich und das Kind zu schaffen, wenn sie das Kind schon seit Jahren ausreichend versorgt und betreut.
Die Beteuerungen des Vaters, für ihn habe das Kindeswohl absoluten Vorrang, erscheinen vor dem Hintergrund, dass er seit Jahren keinen Kindesunterhalt zahlt, als nicht besonders glaubwürdig.