Förderungsgedanke im Aufenthaltsbestimmungsrecht
Oberlandesgericht Köln
Beschluss vom 15.11.2004
Norm: § 1671 BGB
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung zur vorläufigen Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes, vorläufige Gefährdungsprognose, Förderungsgedanke, geordnetes Umfeld
Redaktionelle Zusammenfassung
Der Vater beantragte die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes für das gemeinsame Kind auf sich selbst im Wege der einstweiligen Anordnung. Das Oberlandesgericht entschied, dass das Kind sich bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig beim Vater aufhalten soll.
Die Eltern haben zwei gemeinsame Kinder und leben getrennt. Ursprünglich hatten sie sich in Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge darauf verständigt, dass das fünfjährige Kind beim Vater und das drei und einviertel Jahre alte Kind bei der Mutter lebt. Später machten der Vater, die Mutter der Kindesmutter und Nachbarn das Jugendamt verschiedentlich darauf aufmerksam, dass die Pflege und Betreuung des bei der Mutter lebenden Kindes nicht mit der gebotenen Sorgfalt erfolge.
Nach dem Grundgedanken des § 1671 Absatz 1 und Absatz 2 Nummer 2 Bürgerliches Gesetzbuch ist einem Elternteil ein Teil der elterlichen Sorge allein zu übertragen, wenn zu erwarten ist, dass dies dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Das Oberlandesgericht entschied, dass der vorläufige Verbleib beim Vater dem Kind ermöglicht, zunächst zur Ruhe zu kommen und sich zu orientieren.
Berichten des Jugendamtes zufolge litten die Mutter und ihr Lebensgefährte unter Geldproblemen, die Wohnung war drei Wochen lang ohne Strom und es droht eine Räumungsklage. Das Kind wurde mehrmals von Nachbarn unbeaufsichtigt im Treppenhaus vorgefunden, wobei die Mutter einmal über eine Stunde das Fehlen des Kindes nicht bemerkt haben soll. Bei einem unangekündigten Hausbesuch hat die Jugendamtsmitarbeiterin die Wohnung in vernachlässigtem Zustand vorgefunden. Die Mutter und ihr Lebensgefährte verhielten sich verbal sehr aggressiv gegenüber der Jugendamtsmitarbeiterin und nahmen auch in Anwesenheit der Kinder keine Rücksicht bezüglich ihrer Äußerungen. Familienhilfe hat die Mutter abgelehnt, weil sie ihre Probleme selbst lösen könne.
Demgegenüber lebt der Vater nach Aussage des Jugendamtes in geordneten Verhältnissen. Die Kinder haben ein kindgerecht eingerichtetes Zimmer und besuchen die gleiche Kindertagesstätte. Die Mutter der Lebensgefährtin des Vaters betreut die Kinder während einer Übergangszeit, da sowohl der Vater als auch seine Lebensgefährtin arbeiten. Der Vater hat bei einer städtischen Erziehungsberatungsstelle Beratungsgespräche in Anspruch genommen, da nach seiner Ansicht eine neu zusammengesetzte Stieffamilie ganz besondere Anforderungen an alle Beteiligten stellt.
Das Oberlandesgericht betont, dass bei seiner Entscheidung der Förderungsgedanke im Vordergrund steht. Während der Mutter Nachlässigkeiten bei der Kinderbetreuung unterlaufen sind, die der Entwicklung des Kindes nicht förderlich sein können, erscheinen die Verhältnisse beim Kindesvater doch weitgehend sozial gefestigt. Die Kinder haben bei ihm ein geordnetes Umfeld.
Letztlich wird im Hauptsacheverfahren abschließend zu klären sein, welche Sorgerechtsentscheidung dem Kindeswohl am besten entspricht.