<p>WIR SIND FÜR SIE DA!</p>
Service

WIR SIND FÜR SIE DA!

Diskriminierung nicht mit der Mutter verheirateter Väter wegen grundsätzlicher Nichtüberprüfbarkeit ihres Antrags auf gemeinsame Sorge durch ein Gericht

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Beschluss vom 03.12.2009

Norm: Art. 8 EMRK i.V.m. Art. 14 EMRK, § 1626a BGB

Schlagworte:

Fall Zaunegger, Diskriminierung nicht mit der Mutter verheirateter Väter; gemeinsames Sorgerecht gegen den Willen der Mutter widerspricht nicht zwangsläufig Kindeswohl

Redaktionelle Zusammenfassung

Der Vater eines nichtehelichen Kindes machte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geltend, dass die innerstaatlichen Gerichte ihn als nicht mit der Mutter verheirateten Vater diskriminiert hätten. Die Eltern des 1995 nichtehelich geborenen Kindes trennten sich im Jahr 1998. Bis Anfang 2001 lebte das Kind bei dem Vater, während die Mutter in eine andere Wohnung im selben Gebäude gezogen war. Danach zog das Kind in den Haushalt der Mutter. Die Eltern vereinbarten einen umfangreichen Umgang des Vaters mit dem Kind. Dem Antrag des Vaters auf Anordnung der gemeinsamen Sorge stimmte die Mutter nicht zu, obwohl beide Elternteile sich im Übrigen gut miteinander verständigen konnten. 

Das Amtsgericht Köln wies den Antrag des Vaters auf gemeinsame Sorge mit der Begründung zurück, dass nach der deutschen Gesetzeslage die gemeinsame Sorge von bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheirateter Eltern nur durch eine gemeinsame Erklärung beider Elternteile oder durch die Eheschließung erlangt werden könne. Eine gerichtliche Überprüfung des Einzelfalles sei nicht vorgesehen. Diese Regelung wurde unter Hinzuziehung der Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2003 vom Amtsgericht Köln auch als verfassungsgemäß erachtet. Das Oberlandesgericht Köln folgte dieser Auffassung. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht angenommen. 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass der Vater durch die grundsätzliche Nichtüberprüfbarkeit seines Antrags auf gemeinsame Sorge durch ein Gericht gegenüber ehelichen Vätern oder Vätern in Trennung, die das gemeinsame Sorgerecht bereits besitzen, diskriminiert werde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine unterschiedliche Behandlung im Sinne von Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention diskriminierend, wenn es für sie keine sachlichen und vernünftigen Gründe gibt, also mit ihr kein legitimes Ziel verfolgt wird oder die eingesetzten Mittel zum angestrebten Ziel nicht in einem angemessenen Verhältnis steht. 

In dem hier vorliegenden Fall, in dem der nicht mit der Mutter verheiratet Vater mehr als fünf Jahre mit dem Kind zusammengelebt und auch nach dem Umzug des Kindes zur Mutter in umfangreichem Maße Vaterpflichten übernommen hat, rechtfertigen die Umstände keinen geringeren Rechtsschutz als in den Fällen, in denen beide Elternteile ehemals sorgeberechtigt waren und aufgrund von Trennung oder Scheidung der Antrag auf Zuweisung der alleinigen elterlichen Sorge einer umfassenden gerichtlichen Überprüfung unterworfen wird. 

Diese Diskriminierung steht nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs wiederum auch nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit der deutschen Rechtslage verfolgten Ziel, nämlich dem Schutz des Wohls eines nichtehelichen Kindes. Einerseits widerspräche das gemeinsame Sorgerecht gegen den Willen der Mutter nicht zwangsläufig dem Kindeswohl. Andererseits ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Gegensatz zum deutschen Gesetzgeber nicht der Überzeugung, dass davon ausgegangen werden dürfe, dass, wenn die Eltern zusammenlebten, die Mutter sich aber weigere, eine gemeinsame Sorgeerklärung abzugeben, dies eine Ausnahme sei und die Mutter dafür immer schwerwiegende Gründe habe, die vom Kindeswohl getragen seien. 

Diese Entscheidung im Original nachlesen

http://www.coe.int/t/d/menschenrechtsgerichtshof/d…

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entsprechend seiner Zuständigkeit lediglich eine Einzelfallentscheidung gefällt. Es ist nicht seine Aufgabe, innerstaatliche Rechtsvorschriften zu überprüfen. Er kann lediglich prüfen, in welcher Weise diese Rechtsvorschriften unter den jeweiligen Umständen auf den Einzelfall angewendet wurden und ob diese Anwendung zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung geführt haben. Die Diskriminierung ist hier ausdrücklich nur deshalb festgestellt worden, weil der nicht mit der Mutter verheiratete Vater aufgrund des langjährigen Zusammenlebens mit dem Kind und der auch sonstigen Übernahme von Vaterpflichten ein von der Europäischen Menschenrechtskonvention geschütztes Familienleben führt. Die Rechtsprechung lässt sich demnach nicht auf sämtliche Konstellationen, in denen der Vater nicht mit der Mutter verheiratet ist, übertragen. Im Übrigen fordert der Europäische Gerichtshof lediglich eine gerichtliche Überprüfbarkeit der Übertragung eines gemeinsamen Sorgerechts auf nicht miteinander verheiratete Eltern, nicht dagegen, dass unverheiratete Väter hinsichtlich des Sorgerechts die gleiche rechtliche Stellung eingeräumt bekommen müssen wie verheiratete Väter.