Sorgerecht: Einzelfall würdigen statt Beschlüsse im Schnellverfahren
Berlin, 7. März 2012. Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) begrüßt die grundsätzliche Entscheidung der Koalition für ein Antragsmodell bei der Neuregelung des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern, kritisiert aber die geplanten Änderungen im familiengerichtlichen Verfahren.
"Stimmt eine Mutter der gemeinsamen Sorge nicht zu, ist davon auszugehen, dass sie gute Gründe dafür hat, etwa Konflikte zwischen den Eltern", betont Edith Schwab, Bundesvorsitzende des VAMV. Es ist richtig und entspricht der Rechtssystematik, in streitigen Fällen eine Entscheidung des Familiengerichts herbeizuführen. "In Familiensachen hat das Familiengericht ausschließlich unter Kindeswohlaspekten zu entscheiden. Systemfremd und im Hinblick auf das Kindeswohl nicht akzeptabel ist jedoch der Vorschlag, einen Schnellbeschluss im schriftlichen Verfahren ohne Anhörung der Eltern fassen zu können", kritisiert Schwab.
Die Fähigkeit gemeinsam zu tragfähigen Entscheidungen zu kommen ist eine grundlegende Voraussetzung dafür, das Sorgerecht als Entscheidungsrecht gemeinsam im Sinne des Kindes auszuüben. Solche Erwägungen müssen weiterhin Maßstab der richterlichen Entscheidung sein und dürfen weder durch Fristen, die versäumt werden können, noch durch einseitige Beweislastverteilungen ausgehebelt werden. Solche Instrumente haben nach Ansicht des VAMV im Familienverfahren nichts zu suchen. Darüber hinaus ist eine Frist von sechs Wochen für eine Stellungnahme lebensfremd, beispielsweise wenn sie kurz nach einer Geburt beginnt.
Um die Belange des Kindes maßgeblich zu berücksichtigen, wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt hat, muss ein Gericht nach allen Seiten ermitteln und alle Beteiligten anhören. "Ein neues beschleunigtes Verfahren bei Sorgerechtsstreitigkeiten mit dem Ziel eines gemeinsamen Sorgerechts um jeden Preis geht ausgerechnet zu Lasten der Kinder, deren Eltern sich nicht einigen können."
"Der Großteil nicht miteinander verheirateter Eltern entscheidet sich bereits freiwillig für die gemeinsame Sorge", betont Schwab. "Dass viele Eltern gemeinsam die Verantwortung für ein Kind übernehmen wollen und dies durch eine übereinstimmende Sorgeerklärung ausdrücken, ist eine positive Entwicklung. Eine solche Einigung jedoch unter Zeitdruck durch ein automatisiertes Verfahren erzwingen zu wollen, ist der falsche Weg."