Gewalthilfegesetz und Neuregelung des § 218 müssen jetzt kommen!
Berlin, 21. November 2024. Frauen- und Fachverbände fordern die Bundesregierung dazu auf, bis zu der Neuwahl im Februar 2025 das Gewalthilfegesetz auf den Weg zu bringen und den §218 neu zu regeln. Wir erwarten außerdem von den Oppositionsparteien, die Verabschiedung dieser wichtigen Vorhaben zu unterstützen:
- Finanziell abgesicherte, flächendeckende und bedarfsgerecht Ausweitung der Beratung und Unterstützung von gewaltbetroffenen Frauen
- Bundeseinheitliche, einzelfallunabhängige Finanzierung der Frauenhäuser
- Umfassender Ausbau der Täterarbeit
- Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs durch eine gesetzliche Neuregelung außerhalb des Strafgesetzbuches
- Übernahme der Kosten des Schwangerschaftsabbruches durch die Krankenkassen
- Schwangerschaftsabbruch als feststehender Bestandteil der Ausbildung von Ärzt*innen
Gewalt gegen Frauen: Zahlen steigen dramatisch
Alle drei Minuten erleidet eine Frau in Deutschland Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner . Jeden zweiten Tag stirbt eine Frau an den Folgen von Gewalt. Das sind die erschreckenden Zahlen aus dem aktuellen Lagebericht des BKA vom 19. November 2024. Geschlechtsspezifische Gewalt ist kein Schicksal einzelner Frauen, sondern ein akutes, gesamtgesellschaftliches Problem. Viele betroffene Frauen – insbesondere Frauen, die von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind, und auch Frauen in den ländlichen Räumen – finden nach wie vor keinen oder einen nicht ausreichenden Zugang zu Schutz und Hilfe. Hier besteht dringender Handlungsbedarf! Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass Frauen besser vor Gewalt geschützt werden und eine bedarfsgerechte Unterstützung erhalten. Bereits im Koalitionsvertrag hatte die Bundesregierung zugesagt, einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen – das derzeit geplante Gewalthilfegesetz – zu schaffen. Damit würde die Bundesregierung auch die entsprechenden Verpflichtungen unter der Istanbul-Konvention, die Deutschland 2018 unterzeichnet hat, endlich erfüllen. Jeder Tag Verzögerung kostet das Leben von Frauen und jährlich 54 Mrd. Euro an Folgekosten dieser Gewalt.
Zu wenig Frauenhausplätze
Von Gewalt betroffene Frauen stehen je nach Region vor großen Schwierigkeiten und hohen Hürden eine Fachberatungsstelle oder einen Platz in einem Frauenhaus zu finden. Vulnerable Gruppen wie migrantische oder geflüchtete Frauen, aber auch Frauen mit Beeinträchtigung oder Behinderung sowie trans* Frauen erleben aufgrund von Mehrfachdiskriminierungen zusätzliche Hürden im Zugang zu Schutz und Beratung; diskriminierende Rechtsrahmen wie das Aufenthaltsrecht und die Wohnsitzauflage erschweren den Zugang zu Schutzräumen. Derzeit fehlen in Deutschland ca. 14.000 Frauenhausplätze. Aufgrund einer weiterhin fehlenden bundeseinheitlichen, einzelfallunabhängigen Frauenhausfinanzierung ist die Finanzierungsituation vieler Frauenhäuser prekär. Mehr als jede 4. Frau musste 2023 ihren Aufenthalt teilweise oder vollständig selbst bezahlen – eine finanzielle Belastung, die eine deutliche Barriere für hilfesuchende Frauen darstellt und den Zugang zum Frauenhaus erheblich erschwert.
Schwangerschaftsabbruch entkriminalisieren - § 218 endlich abschaffen!
§ 218 StGB kriminalisiert und stigmatisiert ungewollt Schwangere und schränkt das Selbstbestimmungsrecht von Frauen über ihren Körper und ihr Leben massiv ein. Die von der Bundesregierung eingesetzte, unabhängige Expert*innenkommission ist bereits im April zu einem eindeutigen Schluss gekommen: § 218 StGB verstößt gegen verfassungsrechtliche, völkerrechtliche und europarechtliche Vorschriften. Wir fordern die Bundesregierung und die Opposition auf, die Empfehlungen der Expert*innen nicht zu ignorieren und den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzes zu regeln – und somit auch den Wunsch der Bevölkerung zu respektieren: Mehr als 80 Prozent halten es für falsch, dass ein Schwangerschaftsabbruch, zu dem eine ungewollt Schwangere sich nach einer Beratung entscheidet, rechtswidrig ist (BMFSFJ, 2024). Rund 75 Prozent finden zudem, dass Abbrüche künftig nicht mehr im Strafgesetzbuch geregelt werden sollten.
Katastrophale Versorgungslagen für ungewollt Schwangere
Schwangere, die einen Abbruch vornehmen lassen wollen, müssen oft hunderte von Kilometern zurücklegen, um entsprechende Kliniken oder niedergelassene Ärzt*innen erreichen zu können. Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche vornehmende Kliniken bzw. Praxen ist seit 2023 um 40 Prozent auf nur noch 1200 in ganz Deutschland gesunken (Statistisches Bundesamt). Wie bereits die ersten, veröffentlichten Ergebnisse der ELSA-Studie gezeigt haben, ist die Versorgungslage in Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz für betroffene Frauen besonders unzureichend und Kliniken bzw. Praxis oft nur sehr schlecht erreichbar. Wir fordern daher von der Politik, das Selbstbestimmungsrecht von Frauen zu respektieren und den Versorgungsauftrag des Schwangerschaftskonfliktgesetzes endlich wirksam umzusetzen, um flächendeckend eine Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Schwangerschaftsabbrüche müssen darüber hinaus Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung sein. Die Möglichkeit zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen durch eine Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen gehören zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung.
Unterzeichnende Verbände
Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen
Bundesforum Männer – Interessenverband für Jungen, Männer & Väter e.V.
Business and Professional Women (BPW)
Deutscher Frauenring e.V.
Soroptimist International Berlin Charlottenburg
UN Women Deutschland
Verband alleinerziehender Mütter und Väter, VAMV