Alleinerziehende: Thesen zum Sorgerecht keine gute Grundlage für eine Reform
Berlin, 19. März 2020. Fünfzig Thesen für eine Kindschaftsrechtsreform hat das Justizministerium von einer Arbeitsgruppe erarbeiten lassen. Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) veröffentlicht heute seine Einschätzung dazu. „Blanke Thesen ohne weiterführende Begründungen zu bewerten, ist nicht einfach,“ sagt Daniela Jaspers, Bundesvorsitzende des VAMV. „Trotzdem ist klar erkennbar, dass diese Thesen keine gute Grundlage für eine Reform abgeben.“
Dreh- und Angelpunkt ist die Einführung eines automatischen Sorgerechts. Das lehnt der VAMV ab. „Gemeinsame Sorge ja, aber nicht um jeden Preis“ erläutert Jaspers. „Wir halten es weiterhin für gut, wenn Eltern bewusst die Entscheidung treffen, dass sie miteinander für gemeinsame Kinder sorgen wollen. Durch Heirat oder gemeinsame Sorgeerklärung tun dies bereits über 91 Prozent der Eltern im Geburtsjahr des Kindes, andere später. Tun sie es nicht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass gute Gründe gegen gemeinsame Sorge im Spiel sind, beispielsweise Alkohol, Gewalt, eine hochstrittige Trennung oder weil Eltern sich kaum kennen.“
2018 hatten nur 8,6 Prozent aller neugeborenen Kinder noch Eltern ohne gemeinsames Sorgerecht. Seit 2013 wird auf Antrag eines sorgewilligen Vaters gerichtlich überprüft, ob die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widerspricht. Ist dies nicht der Fall, erhält der Vater die gemeinsame Sorge auch gegen den Willen der Mutter. „Dieser Kompromiss wurde 2013 vom Gesetzgeber gefunden, ein automatisches Sorgerecht bereits ausführlich diskutiert und aus guten Gründen abgelehnt“, so Jaspers. „Erst 2018 wurde das Gesetz evaluiert und kein Handlungsbedarf festgestellt. Weiterhin gilt: Gemeinsame Sorge ist kindeswohldienlich, wenn Eltern gut miteinander kooperieren können, bei starken Elternkonflikten oder häuslicher Gewalt hingegen nicht. “
Der Verband sieht weitere kritische Punkte. So sollen Richter*innen künftig auch in konkreten Erziehungsfragen entscheiden. „Ein starker Eingriff in die Verantwortung und Erziehungsrechte der Eltern, die ihr Kind am besten kennen“ findet Jaspers. „Wir wünschen uns eine Reform, die das Kind mehr im Blick hat“ fasst sie zusammen „aber hier steht der Ausbau von Väterrechten im Vordergrund.“ Die ausführliche Einschätzung der Thesen ist auf www.vamv.de nachzulesen.
Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) vertritt seit 1967 die Interessen der heute 2,6 Millionen Alleinerziehenden. Der VAMV fordert die Anerkennung von Einelternfamilien als gleichberechtigte Lebensform und entsprechende gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Er tritt für eine verantwortungsvolle gemeinsame Elternschaft auch nach Trennung und Scheidung ein.