<p>KLARE ARGUMENTE DAFÜR ODER DAGEGEN</p>
Positionen

KLARE ARGUMENTE DAFÜR ODER DAGEGEN

Die neuen Regelsätze im SGB II

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 entschieden, dass die Ermittlung der Regelsätze im SGB II intransparent und damit verfassungswidrig ist. Es forderte den Gesetzgeber auf, in einem transparenten und sachgerechten Verfahren "realitätsgerecht sowie nachvollziehbar" den tatsächlichen Bedarf zu berechnen. Außerdem müsse der Gesetzgeber Vorkehrungen treffen, wirtschaftliche Veränderungen wie etwa Preissteigerungen, zeitnah in die Bemessung einzubeziehen. "Die Orientierung an der Entwicklung des aktuellen Rentenwertes (...) stellt einen sachwidrigen Maßstabwechsel dar."

Das Bundesverfassungsgericht hat keine Methode zur Bedarfsermittlung vorgeschrieben. Das Statistikmodell sei "eine verfassungsrechtlich zulässige, weil vertretbare zur realitätsnahen Bestimmung des Existenzminimums für eine alleinstehende Person", so das Urteil. Die Auswahl der Referenzgruppe, Ein-Personen-Haushalte der untersten 20 Prozent der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Des Weiteren urteilte das Gericht, dass für Kinder und Jugendliche eine eigene Bedarfsermittlung nötig ist, eine Ableitung von den Regelsätzen für Erwachsene ist nicht verfassungskonform. Der "vorgenommene Abschlag von 40 Prozent gegenüber den Regelleistungen für einen Alleinstehenden beruht auf einer freihändigen Schätzung ohne empirische und methodische Fundierung." Die Höhe der Regelsätze für Kinder habe" sich an kindlichen Entwicklungsphasen auszurichten und an dem, was für die Persönlichkeitsentfaltung eines Kindes erforderlich ist. Der Gesetzgeber hat jegliche Ermittlung hierzu unterlassen", so das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Zusätzlich müsse der Bildungsbedarf für Kinder durch den Bund abgedeckt werden.   

Der VAMV begrüßt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, da es die Chance bietet, die Regelsätze neu zu berechnen und zu erhöhen. Der VAMV konzentriert sich in seiner Stellungnahme in der Hauptsache auf die Umsetzung des Urteils bezüglich der Bedarfe von Kindern, da ein überdurchschnittlicher Anteil von Kindern Alleinerziehender im SGB II-Bezug ist.

Zu den inhaltlichen Punkten im Einzelnen nimmt der VAMV wie folgt Stellung:

1. Grundlagen und Methoden der Leistungsbemessung

Das Statistikmodell
Begründung B. Besonderer Teil zu Art. 1 (RBEG) Punkte 2. und 4.2

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat zur Berechnung der Erwachsenen- sowie Kinderbedarfe die bereits vorhandenen Daten der Einkommens-und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2008 herangezogen. Datenbasis für die Kinderbedarfe ist nicht wie bisher der Ein-Personen-Haushalt, sondern ein Familienhaushalt, d.h. zwei erwachsene Personen und ein Kind.

Die EVS ermittelt dabei nur Daten, die die Ausgaben eines Haushalts insgesamt erfassen. Die Positionen sind nicht einzelnen Personen zuzuordnen und geben keinen Aufschluss über die Verbrauchsausgaben eines Kindes. Es ist, wie es in der Begründung  heißt, "nur eine normative Festlegung für die Verteilung der Haushaltsausgaben auf Erwachsene und Kind im Haushalt möglich." Für einzelne Positionen wurden Verteilungsschlüssel basierend auf wissenschaftlichen Studien übernommen. Diese Verteilungsschlüssel sind normativ gesetzte Prozentsätze. Die Herleitung der Verteilungsschlüssel und deren Anwendung auf bestimmte Positionen werden im Referentenentwurf nicht offen gelegt.

Die bisherigen drei Alterstufen (0-6 Jahre / 6-14 Jahre / 14-18 Jahre) wurden mit der Begründung übernommen, dass sich durch die Sonderauswertung keine Rechtfertigung für eine abweichende Altersstufung ergeben hat. Dieses Ergebnis erklärt sich daraus, dass die gleichen statistischen Daten zugrunde lagen. Auch die nachträglich veröffentlichten Sonderauswertungen bieten keine neuen Informationen. Neue Erkenntnisse könnten erst durch eine Erhebung kindspezifischer Daten gewonnen werden. Nur so wäre gewährleistet, dass sich die Regelbedarfe an den kindlichen Entwicklungsphasen orientieren können. Wie eine Studie des Dortmunder Forschungsinstituts für Kinderernährung  zeigt, verändern sich die Kosten für Lebensmittel deutlich jeweils im Abstand von zwei Jahren.


Erhebung kindspezifischer Bedarfe
Begründung B. Besonderer Teil zu Art. 1 (RBEG) Punkt 4.2 und
Änderungen in Art. 3 § 28 (1) und (2) SGB XII

Wie in § 28 (1) und (2) SGB XII zu lesen ist, ist auch in Zukunft keine andere Erhebungsform geplant. Die aufgeführten Gründe, warum keine eigene Bedarfsermittlung für Kinder möglich sei, sind nicht nachvollziehbar: In der Begründung  heißt es, dass eine eigene Erhebung kindspezifischer Verbrauchsausgaben nicht möglich sei, da die erhöhten Anforderungen an die befragten Haushalte zu einer Überforderung und damit zu abnehmender Bereitschaft zur Teilnahme an der EVS führen würden. Zudem wäre eine durch die Befragten durchgeführte Aufteilung in Erwachsenen- und Kindbedarfe subjektiv.

Eine subjektive Aufteilung könnte durch die Abfrage kindspezifischer Verbrauchsgüter vermieden werden. Möglich ist die Erstellung eines kindspezifischen Warenkorbs. In diesen Warenkorb gehören Waren und Dienstleistungen, die ausschließlich Kinder betreffen und die bisher nicht in der Bedarfsermittlung berücksichtigt werden, wie zum Beispiel Windeln sowie der Eintritt für Schwimmbad und Zoo. Der Eintritt im Berliner Zoo beispielsweise kostet für ein Kind zwischen 5 und 15 Jahren 6,50 Euro. Für den Besuch von Kulturveranstaltungen bzw. -einrichtungen (Nr. 62) stehen Kindern im Alter von 6 bis 14 Jahren 2,88 Euro als regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgabe zur Verfügung. Gleiches gilt für die Posten, die die Verbrauchsgüter von Kleinkindern für die Körperpflege abdecken sollen. Hier ist ein Betrag von 5,80 Euro angesetzt (Nr. 79 und Nr. 80). Allein ein Paket Windeln (mit ungefähr 80 Windeln) kostet im Discounter durchschnittlich 12 Euro. Diese Beispiele verdeutlichen, dass der Bedarf eines Kindes mit diesen Beträgen nicht gedeckt ist. Nach Ansicht des VAMV kann nur durch eine eigene Erhebung kindspezifischer Ausgaben der tatsächliche Bedarf von Kindern und Jugendlichen verschiedener Altersstufen ermittelt werden.


2. Regelbedarf für Kinder

Höhe des Regelbedarfs
Begründung B. Besonderer Teil zu Art. 1 (RBEG) Punkte 4.2.2 - 4.2.4

Auf Grundlage der EVS-Daten hat das Statistische Bundesamt errechnet, dass die jetzige Höhe des Kinderregelbedarfs zu hoch ist. Der jetzige Regelbedarf müsste um 2 Euro (0-6 Jahre), 9 Euro (6-14 Jahre) und 12 Euro (14-18 Jahre) niedriger sein. Wie bereits unter Punkt 1 erläutert handelt es sich bei der Höhe der einzelnen Positionen um Ableitungen vom Verbrauch eines Familienhaushalts und nicht um den tatsächlich ermittelten Bedarf eines Kindes.

Anhand eines Beispiels wird deutlich, dass die ermittelten "regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben für ein Kind" für Nahrungsmittel und Getränke nicht realitätsgerecht sind. Für Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren wird ein Betrag von 78,67 Euro monatlich veranschlagt. Täglich kann ein Kind in diesem Alterssegment für 2,62 Euro essen und trinken. Für Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren sind es 96,55 Euro monatlich, also 3,29 Euro täglich und für Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren beträgt die Höhe 124,02 Euro monatlich, dementsprechend 4,13 Euro täglich.

In einer Studie des Dortmunder Forschungsinstituts für Kinderernährung (FKE)  wurde festgestellt, dass der Regelbedarf im SGB II zu niedrig ist, um Kinder ausgewogen und gesund zu ernähren. Die FKE-Forscher hatten im Jahr 2004 die Preise von mehr als 80 Lebensmitteln erhoben, die für eine gesunde Ernährung benötigt werden. Wer beim Discounter kaufe, müsse im Schnitt 4,68 Euro täglich bezahlen, im Supermarkt 7,44 Euro, um für einen Teenager ausgewogene Kost zu kaufen, so das Studienergebnis. Beachtet werden muss, dass sich diese Preise auf das Jahr 2004 beziehen und die durchschnittliche Jahresteuerungsrate bei 1,5 Prozent liegt. Für jede Altersstufe wurde ein konkreter Betrag errechnet, mit dem entsprechende Nahrungsmittel für eine gesunde Ernährung erworben werden können. Die Möglichkeit, sich gesund zu ernähren, sollte allen Familien offen stehen, unabhängig von ihrem sozioökonomischen Hintergrund.


Auswahl der Referenzgruppe
Art. 1 § 3 und § 4 RBEG

Das niedrige Ergebnis, das durch die Auswahl der Referenzgruppe (die unteren 20 Prozent der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Familienhaushalte) zustande gekommen ist, zeigt, dass auch das Einkommen dieser Haushalte unter dem Existenzminimum liegt. Durch den sich immer weiter ausdehnenden Niedriglohnbereich leben immer mehr Menschen in prekären Verhältnissen. Eine Studie des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen zeigt, dass jede/r Fünfte für seine Arbeit nur einen Niedriglohn bekommt. Insgesamt sind 6,55 Millionen Arbeitnehmer/innen demnach im Niedriglohnsektor tätig. Besonders stark betroffen sind Frauen.  Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) stellte fest, dass Frauen wesentlich häufiger als Männer in diesem Sektor verbleiben oder in eine Teilzeit- bzw. geringfügige Beschäftigung wechseln.  Von dieser Entwicklung sind viele Einelternfamilien betroffen, da Alleinerziehende zu 90 Prozent Frauen sind.      




Anpassung des Regelbedarfs
Änderungen zu Art. 3 § 28 a SGB XII und Begründung B. Besonderer Teil zu Art. 1 (RBEG) Punkt 5 Begründung zu den Vorschriften Zu § 8 (Regelbedarfsstufen)

Das Bundesverfassungsgericht hat eine regelmäßige Anpassung des Regelbedarfs zwischen den Einkommens- und Verbrauchsstichproben gefordert. Das ist nötig, da die EVS nur alle fünf Jahre durchgeführt wird. Für die Fortschreibung (des Erwachsenenbedarfs sowie später für den Kinderbedarf) wird ein Mischindex zugrunde gelegt. In Art. 3 § 28 a SGB XII wird die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen dargelegt: Zu 70 Prozent wird die Entwicklung der Preise der im Regelbedarf eingeschlossenen Güter und Dienstleistungen, zu 30 Prozent die Entwicklung der Nettolöhne nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung berücksichtigt. Der VAMV begrüßt, dass die regelbedarfsrelevanten Preissteigerungen in die Anpassung mit einfließen, dies allerdings nur zu 70 Prozent. Der
30-prozentige Anteil der Nettolohnentwicklung nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist nicht geeignet, um die Kaufkraft eines Regelbedarfs zu sichern. Hier fließen alle Lohnarten, auch die des Niedriglohnbereichs, mit ein. Durch einen Mischindex, der sich zu 30 Prozent an der Lohnentwicklung orientiert, kann der Regelbedarf nicht existenzsichernd fortgeschrieben werden. Dieser Anpassungsmechanismus ist ähnlich sachfremd wie der vom Bundesverfassungsgericht bemängelte Rentenwert. Nach Ansicht des VAMV sollte die Preissteigerung zu 100 Prozent in die Fortschreibung einfließen.    

Laut Begründung soll die Fortschreibung beim Kinderbedarf zunächst keine Anwendung finden, da trotz errechneter Höhe, die den jetzigen Betrag unterschreitet, der Regelbedarf nicht gemindert wird. Wie das Beispiel zeigt, kann von einem existenzsichernden Regelbedarf nicht die Rede sein.     


3. Bedarfe für Bildung und Teilhabe
    
Zur Deckung des vom Bundesverfassungsgericht geforderten Bildungsbedarfs von Kindern und Jugendlichen hat das BMAS das sogenannte Bildungspaket zusammengestellt, das zusätzlich zum Regelbedarf bereit stehen soll.

Ermittlung der Höhe
Änderungen zu Art. 2 § 28 SGB II

In Unterabschnitt 4, Leistungen für Bildung und Teilhabe, Art. 2 § 28 SGB II Bedarfe für Bildung und Teilhabe (3) wird für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf "bei Schülerinnen und Schülern 70 Euro zum 1. August und 30 Euro zum 1. Februar eines jeden Jahres berücksichtigt". Für diese Beträge ist keine Berechnung angefügt. Gleiches gilt für Absatz (6), in dem "ein Bedarf zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft in Höhe von 10 Euro monatlich" angegeben ist. Auch hier fehlt die Offenlegung der Ermittlung dieses Betrags, so wie es das Bundesverfassungsgericht gefordert hat. Auch für diese Beträge muss es eine nachvollziehbare Ermittlung sowie  Offenlegung geben.  

Gutscheinlösung
Änderungen zu Art. 2 § 29 und § 30 SGB II

Für die Deckung des Bedarfs für Bildung und Teilhabe sollen Gutscheine für Nachhilfe, Teilnahme an Musikunterricht und die Mitgliedschaft im Sportverein in den JobCentern ausgegeben werden. Das BMAS will den Bildungsbedarf durch Sachleistungen decken, da auf diese Weise sicher gestellt sei, dass "die Leistungen auch tatsächlich zu den Kindern kommen", so die Erklärung auf der Homepage des BMAS. Damit wird den Eltern unterstellt, dass sie entsprechende Geldleistungen nicht für die Kinder benutzen würden.
Für die erste Nürnberger Armutskonferenz wurde eine repräsentative Umfrage bei SGB II-und Sozialgeldbezieher/innen bezüglich ihres Ausgabeverhaltens gemacht.  Das Ergebnis zeigt, dass sich die Mehrheit der Eltern einschränkt und nicht bei ihren Kindern spart. Damit entkräftet dieses Resultat das in Politik und Medien weit verbreitete Vorurteil, dass Eltern, die SGB II-Leistungen beziehen, das Geld nicht für ihre Kinder verwenden und sie so vernachlässigen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verständlich, die Eigenverantwortung der Eltern für ihre Kinder zu beschneiden. Eltern wissen am besten, was ihre Kinder am dringendsten brauchen. Dies steht zudem im Widerspruch zu der Eigenverantwortung, die von ihnen als Arbeitssuchende im SGB II gefordert wird (Vgl. § 1und § 2 SGB II).

Der VAMV lehnt Sachleistungen grundsätzlich ab. Ein Gutscheinsystem führt zu einer Kategorisierung der Kinder und kann zu Ausgrenzung führen. Statt Inklusion würde das genaue Gegenteil erreicht werden.

JobCenter als Koordinationsstelle
Die JobCenter sollen als zentrale Koordinationsstelle für die Gutscheinbeantragung und -vergabe zuständig sein. Das bedeutet, dass dort sowohl über Bildungs- als auch Betreuungsangebote umfassende Informationen vorliegen müssen. Eine Behörde, deren Aufgabe die Vermittlung und Beratung von Arbeitssuchenden ist, soll sich zukünftig um den Bildungsbedarf von Kindern kümmern. Es ist fraglich, wie hier das nötige Fachwissen bereit gestellt werden soll. In seinem Positionspapier "Fall(en)management für Alleinerziehende"  hat der VAMV dargestellt, dass es schon jetzt große Schwierigkeiten bei der Vernetzung der verschiedenen Träger gibt.

Zuständig für die Bewilligung eines Antrags wird die Leistungsabteilung des JobCenters sein. Die Funktion der Leistungsabteilung ist ausschließlich die Vergabe von Geldern und damit inhaltlich nicht kompetent, über den Bildungsbedarf von Kindern zu entscheiden. Außerdem wird durch dieses umständliche Antrags- und Bewilligungsverfahren die Hemmschwelle für die Inanspruchnahme von Leistungen erhöht.

Der Regelbedarf für Kinder muss so erhöht werden, dass auch der Bedarf für Bildung und Beteiligung an kulturellen und sportlichen Angeboten abgedeckt wird. Dazu muss zunächst der tatsächliche Bedarf ermittelt werden.


4. Regelbedarf  Erwachsene

Alleinerziehende im SGB II-Bezug

Die Zahl der Alleinerziehenden, die Leistungen nach dem SGB II beziehen, ist seit Jahren auf einem konstant hohen Niveau. Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit betrug im Jahr 2009 die Hilfequote 41 Prozent. 95 Prozent davon sind Frauen. Alleinerziehende sind häufiger und länger bedürftig im Sinne des SGB II als andere Bevölkerungsgruppen.

Mehr als 200.000 Alleinerziehende im SGB II-Bezug sind in Teil- oder Vollzeit erwerbstätig und beziehen aufstockende Leistungen. Das bedeutet, dass sie durch ihre Arbeit ihre Existenz und die ihrer Kinder nicht sichern können. Trotzdem bleiben sie im System SGB II als Arbeitssuchende registriert. Dieses Vorgehen verschleiert, dass es vielen Menschen, in der Mehrzahl Frauen, nicht möglich ist, eine existenzsichernde Arbeit zu finden. Zudem wird die Verantwortung für den sich ausweitenden Niedriglohnsektor verschoben: Nicht die Politik trägt die Verantwortung und ändert die Rahmenbedingungen, etwa durch Einführung eines Mindestlohnes, sondern der einzelne / die einzelne muss die Konsequenzen tragen.

Hindernisse bei der Arbeitsaufnahme
Der Familienreport 2010 zitiert das Ergebnis einer Studie des Allensbach Instituts, wonach die Erwerbsorientierung von Alleinerziehenden sehr stark ist, auch bei denen, die nicht erwerbstätig sind.  Allerdings scheitert die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit häufig an fehlenden Kinderbetreuungsplätzen. Zudem kann oftmals weder eine Vollzeittätigkeit noch Schichtarbeit übernommen werden, da es für diese Zeiten keine Kinderbetreuungsangebote gibt.

Das bisherige Fallmanagement in den JobCentern ist für Alleinerziehende unzureichend. Die besonderen Merkmale ihrer Lebenssituation müssen in die Arbeitsvermittlung einfließen. Außerdem bedarf es einer kommunalen Vernetzung der verschiedenen Träger. Der VAMV hat dazu ein umfangreiches Positionspapier erstellt.  

Armut und Kinderarmut
647.000 Alleinerziehende leben in Bedarfsgemeinschaften und dadurch in materieller Armut. Kinderarmut kann nicht abgetrennt von der Armut ihrer Eltern betrachtet werden, denn diese sind für den Lebensunterhalt ihrer minderjährigen Kinder verantwortlich.    


5. Fazit
Um den tatsächlichen Bedarf von Kindern realitätsgerecht sowie nachvollziehbar zu ermitteln, muss es zukünftig eine eigene Erhebung kindspezifischer Ausgaben geben. Wie das Beispiel für Lebensmittel zeigt, wird eine deutliche Erhöhung des Regelbedarfs nötig sein. Der VAMV lehnt Sachleistungen generell ab. Eltern wissen, was ihre Kinder brauchen und können eigenverantwortlich entscheiden. Die Kinderbetreuung muss weiter ausgebaut werden. Ganztägige Bildung und Betreuung für alle Kinder sollten eine Selbstverständlichkeit sein. Essen sowie Nachhilfe müssen kostenfrei angeboten werden.

Die Arbeitsvermittlung für Alleinerziehende muss verbessert werden. Ohne die Eindämmung des Niedriglohnsektors kann Armut nicht ausreichend bekämpft werden. Bereits die Lohnstruktur in vielen Berufen mit hohem Frauenanteil führt zu Armut und damit auch zu Kinderarmut.

Nach Ansicht des VAMV kann nur durch die Einführung einer Kindergrundsicherung nachhaltig Kinderarmut verhindert werden. In ihrem siebten Bericht über das Existenzminimum von Kindern (2009) beziffert die Bundesregierung den Grundbedarf für jedes Kind auf 502 Euro. Alle Kinder sollten - unabhängig von der ökonomischen Situation ihrer Eltern - die gleichen Chancen haben. Das ist nur durch eine einkommensunabhängige Kindergrundsicherung für alle Kinder möglich.