Besserer Gewaltschutz in Sicht? Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums zum FamFG kann ein wichtiger Baustein sein
Berlin, 12. September 2024. Viele im Referentenentwurf geplanten Neuregelungen im familiengerichtlichen Verfahren könnten zu einer Verbesserung des Gewaltschutzes führen, allerdings müssen diese noch weiter gehen, um die Istanbul-Konvention tatsächlich umzusetzen. Durch die Einführung eines Wahlgerichtsstands für Kindschafts-, Abstammungs- und Kindesunterhaltssachen soll eine bessere Geheimhaltung des aktuellen Aufenthaltsorts eines von Partnerschaftsgewalt betroffenen Elternteils ermöglicht werden. Zudem werden in Kindschaftssachen die Amtsermittlungspflichten des Gerichts konkretisiert, um zu verdeutlichen, dass bei Anhaltspunkten für das Vorliegen von Partnerschaftsgewalt auch Ermittlungen zum Schutzbedarf und zum Gefahrenmanagement im familiengerichtlichen Verfahren erforderlich sind.
Der VAMV mahnt jedoch an, den Neuregelungen den Gewaltbegriff der Istanbul-Konvention zugrunde zu legen und nicht an den engeren Gewaltbegriff des Gewaltschutzgesetzes anzuknüpfen. Andernfalls droht psychische Gewalt und wirtschaftliche Gewalt aus dem Blick zu geraten. Ein umfassender Gewaltschutz in umgangs- und sorgerechtlichen Verfahren, wie Artikel 31 Istanbul-Konvention ihn verlangt, kann so nicht gelingen. Kritisch sieht der VAMV, die Eröffnung eines Wahlgerichtsstandes an das Einleiten eines Gewaltschutzverfahrens oder an das Bestehen einer Gewaltschutzanordnung zu knüpfen. Diese Voraussetzungen sind zu eng und werden den Realitäten gewaltbetroffener Elternteile nicht gerecht.
Der VAMV plädiert dafür, die Flucht in eine Schutzeinrichtung oder das Vorliegen anderer Anhaltspunkte für Partnerschaftsgewalt wie Ermittlungsakten oder medizinische Befunde als Anknüpfungspunkt für die Eröffnung eines Wahlgerichtsstandes gesetzlich zu verankern.
Der VAMV begrüßt grundsätzlich den Vorschlag, eine Beschwerdemöglichkeit gegen Umgangsentscheidungen im einstweiligen gerichtlichen Anordnungsverfahren zu schaffen. Diese jedoch auf Umgangsausschlüsse zu beschränken, lehnt der VAMV ab. Die Beschwerdemöglichkeit muss für alle Umgangsentscheidungen eröffnet werden. Auch die vorgesehene rechtliche Möglichkeit, Gespräche eines Kindes mit dem Verfahrensbeistand durch Zwangsmittel gegen die Eltern durchzusetzen, hält der VAMV für einen falschen Weg.
Der Referentenentwurf enthält wichtige Schritte auf dem Weg zu einem verbesserten Gewaltschutz im familiengerichtlichen Verfahren, wenn er auch in einigen Punkten unbedingt nachgebessert werden muss, um den Gewaltschutz nicht leerlaufen zu lassen. Letztlich kann er aber nur ein Baustein sein, dem weitere folgen müssen, um einen umfassenden Gewaltschutz nach den Vorgaben der Istanbul-Konvention sicherzustellen. Hierzu gehört eine Fortbildungspflicht, so dass alle am familiengerichtlichen Verfahren beteiligten Professionen ausreichende Kenntnisse zu den Formen häuslicher Gewalt, ihrer Dynamiken, ihrer Auswirkungen auf gewaltbetroffene Elternteile und über Auswirkungen von miterlebter Gewalt auf Kinder haben. Auch das angekündigte Gewalthilfegesetz mit einem Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung und dem schrittweisen bedarfsgerechten Ausbau der Frauenunterstützungsstruktur muss daher noch in dieser Legislatur verabschiedet werden.
Die vollständige Stellungnahme steht unten als Download für Sie bereit.