Konjunkturpaket II: Anrechnung des Kinderbonus auf den Unterhalt
Stellungnahme vom 6. Februar 2009 zum Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland
Vorbemerkung
Im Folgenden wird der Gesetzentwurf zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland (Konjunkturpaket II) im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Bundestags-Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 9. Februar 2009 bewertet. Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter Bundesverband e.V. (VAMV) fokussiert sich dabei insbesondere auf die Situation Alleinerziehender und ihrer Kinder.
In Deutschland leben insgesamt 2,6 Millionen Alleinerziehende mit 3,7 Millionen Kindern, davon sind 1,6 Millionen Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern. Gut 90 Prozent der Alleinerziehenden sind weiblich. Über 660.000 Alleinerziehenden-Haushalte mit mehr als 1,7 Millionen Mitgliedern beziehen Leistungen nach dem SGB II. Von den Maßnahmen Regelsatzerhöhung für Kinder, Kinderbonus und Senkung des Eingangssteuersatzes sind Alleinerziehende überproportional betroffen. Die Ausführungen werden sich daher insbesondere auf diese Aspekte beziehen.
Artikel 1: Erhöhung des Grundfreibetrages und
Senkung des Eingangssteuersatzes auf 14 Prozent
Der steuerliche Grundfreibetrag wird für 2009 auf 7.834 Euro angehoben. Ab 2010 erhöht sich der Grundfreibetrag auf 8.004 Euro. Der Eingangssteuersatz wird von 15 Prozent auf 14 Prozent abgesenkt.
Bewertung
In Abhängigkeit von der Kinderzahl verfügen 40 bis 50 Prozent der Alleinerziehenden über ein monatliches Nettoeinkommen von 900 bis unter 1500 Euro (Mikrozensus 2007). Da Alleinerziehende demnach zu hohen Anteilen über geringe Erwerbseinkommen verfügen, wirken sich die Erhöhung des Grundfreibetrages und die Senkung des Eingangssteuersatzes für sie positiv aus. Der VAMV bewertet die steuerliche Entlastung geringer Einkommen positiv.
Artikel 3: Änderung des Bundeskindergeldgesetzes
Mit der Änderung des Bundeskindergeldgesetzes erhalten alle Kindergeldberechtigten für 2009 eine Einmalzahlung von 100 Euro.
Bewertung
Der VAMV befürwortet eine finanzielle Leistung für Kinder. Die vorgesehene Einmalzahlung von 100 Euro für Kinder ist auf ein Jahr verteilt gering und es findet sich keine Bezugsgröße für diesen Betrag. Die gesetzessystematische Verortung der Einmalzahlung im Bundeskindergeldgesetz birgt für Unterhalt beziehende Kinder inakzeptable Nachteile, wie unter Artikel 5 deutlich wird.
Artikel 5: Gesetz zur Nichtanrechnung des Kinderbonus
Artikel 5 regelt, dass der Kinderbonus nicht auf einkommensabhängige Sozialleistungen oder auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet wird. Die Gesetzesbegründung beinhaltet jedoch, dass der Kinderbonus wie Kindergeld gemäß §1612b BGB auf den Kindesunterhalt angerechnet werden soll.
Bewertung
Bei 2,1 Millionen minderjährigen Kindern von Alleinerziehenden, von denen knapp 500.000 Unterhaltsvorschuss beziehen, sind schätzungsweise über eine Million Kinder von dieser Anrechnung betroffen. Hinzu kommen mehr als eine Million volljährige Kinder von Alleinerziehenden, bei denen der Kinderbonus voll angerechnet wird, wenn sie Unterhalt beziehen. Zwei Beispiele verdeutlichen die nachteilige Auswirkung der Anrechnung des Kinderbonus auf den Kindesunterhalt.
Beispiel 1:
Eine allein erziehende Mutter bezieht Leistungen nach dem SGB II. Der Bedarf ihres Kindes ist durch Barunterhaltszahlungen in Höhe des Mindestunterhalts (281 Euro- 82 Euro (hälftiges Kindergeld) = 199 Euro) gedeckt. Da die Mutter Anspruch auf den anrechnungsfreien Bezug des Kinderbonus hat, beim Kindesunterhalt jedoch der hälftige Kinderbonus abgezogen wird, bezieht das Kind im Auszahlungsmonat des Kinderbonus statt 199 Euro Kindesunterhalt nur 149 Euro Kindesunterhalt. Die Mutter muss demnach bei ihrem Leistungsträger für diesen Monat 50 Euro zusätzlich beantragen. So entsteht ein doppelter Verwaltungsaufwand. Für das Kind muss in diesem Monat der Unterhalt neu berechnet werden (beispielsweise im Rahmen einer Unterhaltsbeistandschaft). Die allein erziehende Mutter muss jedoch auch bei ihrer Arbeitsagentur den mangelnden Unterhalt, der durch den Abzug von 50 Euro entsteht, wieder einfordern.
Beispiel 2:
Ein volljähriges Kind befindet sich in der allgemeinen Schulausbildung. Der Kindesunterhalt beträgt 268 Euro (432 Euro - 164 Euro (volles Kindergeld)). Der Kinderbonus wird in diesem Fall voll angerechnet. Damit beträgt der Kindesunterhalt im Auszahlungsmonat des Kinderbonus 168 Euro. Die 100 Euro Kinderbonus verbleiben in voller Höhe dem/der Unterhaltspflichtigen.
Der Kinderbonus soll laut Gesetzesbegründung "gezielt und kurzfristig einen zusätzlichen Nachfrageimpuls insbesondere für Familien mit geringerem Einkommen und mehreren Kindern zur Stärkung der Konjunktur" schaffen. Dieses Ziel wird durch eine hälftige Verrechnung mit dem Kindesunterhalt konterkariert. Im Ergebnis kommen bei den minderjährigen Kindern von Alleinerziehenden statt 100 Euro nur 50 Euro Kinderbonus an. Der Barunterhalt für Volljährige wird um 100 Euro gekürzt.
Dieses Vorgehen ist den betroffenen Eltern und Kindern nicht vermittelbar. Wenn der Kinderbonus eine unbürokratische Leistung zur Stärkung der Familien sein soll, ist er im Bundeskindergeldgesetz falsch verortet, denn das Bundeskindergeldgesetz ist mit zahlreichen anderen Leistungen systematisch verknüpft.
Änderungsbedarf zu Artikel 5:
Vor dem Hintergrund, dass der Kinderbonus ohnehin auf das Jahr 2009 beschränkt ist, empfiehlt der VAMV, diese Einmalzahlung als ein systematisch nicht im BKGG verankertes Gesetz, sondern als eigenständige Leistung zu konzipieren. Nachteilige Zusammenhänge zwischen Kindergeld, Sozial- und Unterhaltsleistungen würden so vermieden.
Denkbar ist auch, Artikel 5 des Gesetzentwurfes "Gesetz zur Nichtanrechenbarkeit des Kinderbonus" um einen Passus zu ergänzen, der gewährleistet, dass der Kinderbonus nicht gemäß §1612b BGB auf den Kindesunterhalt angerechnet wird.
Artikel 8: Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und
Artikel 15: Änderung der Regelsatzverordnung
Kinder zwischen 6 und 13 Jahren sollen statt 60 Prozent des Erwachsenenregelsatzes ab 1. Juli 2009 70 Prozent des Erwachsenenregelsatzes erhalten. Ein eigenständiger Kinderregelsatz wird durch diese Maßnahme nicht ermittelt.
Bewertung
Seit langem wird der Kinderregelsatz von verschiedenen Seiten kritisiert. Unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten ist nicht nachvollziehbar, dass die Regelsatzerhöhung nur für die Kinder zwischen 6 und 13 Jahren erfolgen soll. In gut 370.000 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften von Alleinerziehenden lebt mindestens 1 Kind unter 7 Jahren. Ein Großteil dieser Kinder wird nicht von der Regelsatzerhöhung profitieren.
Der VAMV hat ein Modell der Kindergrundsicherung entwickelt. Kinder würden damit aus der "Bedarfsabhängigkeit" herausgelöst und unabhängig vom Erwerbsstatus ihrer Eltern vor Armut geschützt. Eine minimale Regelsatzerhöhung wird auch langfristig keine Armut vermeidende Wirkung haben, da Kinder damit im System des SGB II verbleiben, das für Erwachsene ausgelegt ist.
Fazit
Die seit langem bestehenden politischen Forderungen zur Verbesserung der Situation Alleinerziehender und ihrer Kinder werden auch mit dem vorliegenden Konjunkturpaket nicht eingelöst.
Die Erhöhung des Grundfreibetrages und die Absenkung des Eingangssteuersatzes ersetzen nicht die Notwendigkeit einer umfassenden Steuerreform und wirken vor dem Hintergrund mangelhafter Entlastungsbeträge für Alleinerziehende und der unzureichenden Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten nicht im Sinne einer familiengerechten Besteuerung.
Der Kinderbonus ist in seiner Höhe unzureichend. Dringender Änderungsbedarf besteht bei der Anrechnung des Kinderbonus auf den Kindesunterhalt. Alleinerziehende und ihre Kinder werden durch die derzeitige Regelung massiv benachteiligt. Um die Zielsetzung der unbürokratischen Leistung zu erhalten muss der Kinderbonus zwingend dem Haushalt anrechnungsfrei zur Verfügung stehen, in dem das Kind lebt.